Mahlzeit!
Hier nun zum zweiten Höhepunkt der diesjährigen Chasingssaison, der bereits etwa einen Tag nach dem ersten Höhepunkt stattfinden sollte.
(siehe: 08.06.2010: Fantastisches Erzgebirgschasing zu dritt / heftige Luftmassengewitter, Teil1 (21 Bilder))
Die Wetterlage Anfang Juni hatte es in sich. Die Luftmasse war extrem energiereich über Mitteleuropa (Taupunkte um 20°C) und nun sollte diese Luftmasse auch noch durch einen Randtrog "zur Zündung" gebracht werden. Die Modelle hatten bereits seit längerer Zeit einen MCS für die Nacht vom 9. zum 10. Juni im Programm, der tendenziell am ehesten über die Mitte Deutschlands ziehen sollte.
Bereits am Abend des 9. Juni bestand durch Einzelzellen ein gewisses Risiko für großen Hagel, schwere Sturmböen und sogar ein kleines Risiko für den ein oder anderen Funnel oder gar Tornado.
(siehe dazu die entsprechende Estofex-Vorhersage + Verifikation)
- - -
Falk, Martin und ich trafen uns nun also, praktisch ohne dass wir Zeit gehabt hätten, die großen Datenmengen vom 8.6. schon einmal auszuwerten, ein zweites mal zu einem gemeinsamen Chasing, das wir wieder von Leipzig aus starteten. Dieses mal trafen wir uns jedoch erst in den frühen Abendstunden, nach einem unerträglich schwülen Tag.
Die Entwicklung lief zunächst nur mäßig an. Es kam wieder zu einigen orographisch ausgelösten Gewittern über dem Erzgebirge, aber unsere Aufmerksamkeit galt eher den dynamischeren Zellen, die im Westen von Thüringen am späteren Abend in die Höhe schossen. Uns war klar, dass der Weg zu weit und die Zeit zu kurz war, um an diese Zellen noch heranzukommen. Ric, Pierre und Oliver haben jedoch die Wettererscheinungen der Zellen bereits gut dokumentiert:
Ric:
09.06.2010/ Nordhausen / Gewitter mit tollen Strukturen
Pierre:
Unwetter über dem Eichsfeld (Nachtrag)
Oliver:
Mein erstes Stormchasing (09.06.2010 Eichsfeld-Hagelsturm)
Da die Zellen die Energie aus der Luftmasse keineswegs herausgenommen hatten, warteten wir in Ruhe die weitere Entwicklung ab und fuhren schonmal von Rastplatz zu Rastplatz die A38 entlang, alle 1 bis 2 Stunden mit einem Radarcheck.
Was ließ dieser Himmel für die Nacht erwarten?
Bild: Martin R.
(durch die dreckige Frontscheibe hindurch fotografiert, zu sehen sind einige Ac und am Horizont die Eisschirme der Zellen über dem Eichsfeld, aufgenommen gegen 21:20)
Erwartungsgemäß bildeten sich die ersten Zellen nun auch über Baden-Württemberg und zogen unter Verstärkung nach NNO. Und tatsächlich verclusterten die Gewitter immer mehr. Auf ihrer Westseite entstand ein großes Regengebiet, an der Ostseite bildeten sich stets neue Zellen. Die Entwicklung gipfelte schließlich in einem gut organisierten mesoskaligen konvektiven System, dessen Ostseite Squalline-Charakter annahm. Hoch erfreulich für uns war die Tatsache, dass sich das System (auch typisch für einen MCS) in die Warmluft vorarbeitete und wir somit nicht noch weiter gen Westen fahren brauchten.
Da das System aber relativ langsam unterwegs war, hieß es von nun an "Warten, warten, warten..."
Also hielten wir noch länger auf Rastplätzen und fuhren zwecks Benzinersparnis auch mal mit beinahe Mindestgeschwindigkeit auf der leeren Autobahn.
Nachdem die Dunkelheit richtig hereingebrochen war, konnte man auch beinahe ununterbrochen Wetterleuchten sehen. Zum einen lebten die kräftigen Zellen aus dem Eichsfeld über dem Harz gelegentlich noch kurz auf, zum anderen waren bereits die ersten Erleuchtungen an der Wolkenoberkante des herannahenden MCS zu sehen. Bekanntermaßen kann man solches Wetterleuchten gut und gerne mal aus Entfernungen jenseits der 200 Kilometer wahrnehmen. Für ferne Beobachter wäre die Lage wohl auch prädestiniert gewesen um einige Kobolde (red sprites, blue jets) zu dokumentieren.
An der Abfahrt "Worbis / Leinefelde" fuhren wir schließlich von der Autobahn herunter und hielten an zwei Aussichtspunkten. Die abnehmende Blitzrate und die noch scheinbar weite Entfernung des MCS ließen zunächst wenig Freude aufkommen. Ein Blick auf das Radar lehrte uns aber, dass der MCS bereits ziemlich nah an uns herangerückt war. Das scheinbare Paradoxon löst sich auf, wenn man bedenkt, dass mit dem Heranrücken eines MCS auch die Bewölkung entsprechend zunimmt.
- - -
An unserem letzten Aussichtspunkt, ca. 12 km vor Mühlhausen, sollte uns schließlich klar werden, welchem "Monster" wir uns eigentlich in den Weg stellten. Die Blitze wurden heller, man konnte Strukturen in den Wolken erkennen und vor allem nahm die Blitzrate aus unserer Sicht immer weiter zu.
Die Luft stand, es war drückend schwül und am Horizont eine anrückende Shelfcloud:
Bild: Falk M.
Das Bild zeigt das südliche Ende der Front, die auf uns zurollte. Die Szenerie wirkte unheimlich und bedrohlich.
Nur das andauernde Donnergrollen und unsere Unterhaltungen lockerten die Stille auf.
Ein Blick rechts hinter den Baum, in westlicher Richtung, zeigt eine vom Stroboskopgewitter erleuchtete vierstöckige Shelfcloud, die auf uns zurollte:
Bild: Falk M.
Erdblitze, wie hier am Horizont, gab es eher weniger:
Bild: Falk M.
Auch Martins Langzeitbelichtungen zeigen: Hier rückt was großes an...

Bild: Martin R.
Ein fünftes Stockwerk (vier Regale + turbulenter Böenkragen) scheint sich auch noch präsentieren zu wollen:

Bild: Martin R.
Martin gelang schließlich die einzige Langzeitbelichtung mit einem gut sichtbarem Blitz:

Bild: Martin R.
Auf diesen Bildern ist zwar der Böenkragen nicht mehr so stark ausgeprägt, jedoch erkennt man nun zweifelsfrei das fünfte Wolkenstockwerk:

Bild: Falk M.

Bild: Falk M.
Knapp fünf Minuten nach diesem Bild setzte stürmischer Wind und leichter Regen ein. Wir verkrochen uns ehrfürchtig vor dieser Naturgewalt ins Auto und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Kurz und heftig setzte Starkregen ein, sodass man sein eigenes Wort im Auto kaum verstand. Etliche Erdblitze schlugen in nächster Nähe ein, deren Donner man aber lediglich durch das Vibrieren am Unterboden wahrnehmen konnte.
(Die Videos mit den tollen Audiokommentaren kann ich auf Wunsch bei einem späteren TSC-Treffen mal mitbringen ;))
Der Regen wurde nach einer Weile allmählich schwächer, an Aussteigen war jedoch für längere Zeit noch nicht zu denken. Die ersten Videoaufnahmen entstanden dann aus dem offenen Fenster heraus. Was in den nächsten Stunden mit dem MCS geschah, wird am besten durch unsere Videoaufnahmen dokumentiert. Markus wird euch dann noch den entsprechenden Link zur Verfügung stellen. Wer es schon eher anschauen möchte, schreibt mir bitte eine PN.
In dem Video ist zunächst die Blitzfrequenz am Aussichtspunkt zu sehen, dann einige Blitzaufnahmen von der Fahrt (ab 3:30), die sich dann bis in den Morgengrauen hinzog. Nehmt euch für das Video Zeit und schaut es euch in Ruhe an (und am besten, wenn es draußen dunkel ist ;)). Zeitweilig sind auch noch einmal ungeschnittene Szenen der Blitzfrequenz während der Fahrt zu sehen. Der größte Teil der Blitze war zwar nicht direkt sichtbar, aber allein das hochfrequente helle Aufleuchten des Himmels war spektakulär anzusehen. Die Länge des Videos erklärt sich einerseits durch die enorme Blitzfrequenz und zum anderen auch dadurch, dass die Fahrt zurück weit über zwei Stunden dauerte und wir während der gesamten Zeit praktisch ununterbrochene Blitzsalven erleben durften. Gefilmt haben Falk und Martin mit meiner Cam, während ich uns zurück nach Leipzig brachte.
Nach dieser unglaublichen Nacht hatten wir auch noch das Glück und durften ein tolles Morgenrot mit anschließendem Sonnenaufgang erleben:
Bild: Martin R.
Müde und glücklich kamen wir gegen 6 Uhr wieder in Leipzig an und begaben uns an einem weiteren schwülwarmen Tag sofort in die Hochschule...
Es grüßen die Verrückten: Falk, Martin und Chris
Hier nun zum zweiten Höhepunkt der diesjährigen Chasingssaison, der bereits etwa einen Tag nach dem ersten Höhepunkt stattfinden sollte.
(siehe: 08.06.2010: Fantastisches Erzgebirgschasing zu dritt / heftige Luftmassengewitter, Teil1 (21 Bilder))
Die Wetterlage Anfang Juni hatte es in sich. Die Luftmasse war extrem energiereich über Mitteleuropa (Taupunkte um 20°C) und nun sollte diese Luftmasse auch noch durch einen Randtrog "zur Zündung" gebracht werden. Die Modelle hatten bereits seit längerer Zeit einen MCS für die Nacht vom 9. zum 10. Juni im Programm, der tendenziell am ehesten über die Mitte Deutschlands ziehen sollte.
Bereits am Abend des 9. Juni bestand durch Einzelzellen ein gewisses Risiko für großen Hagel, schwere Sturmböen und sogar ein kleines Risiko für den ein oder anderen Funnel oder gar Tornado.
(siehe dazu die entsprechende Estofex-Vorhersage + Verifikation)
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Falk, Martin und ich trafen uns nun also, praktisch ohne dass wir Zeit gehabt hätten, die großen Datenmengen vom 8.6. schon einmal auszuwerten, ein zweites mal zu einem gemeinsamen Chasing, das wir wieder von Leipzig aus starteten. Dieses mal trafen wir uns jedoch erst in den frühen Abendstunden, nach einem unerträglich schwülen Tag.
Die Entwicklung lief zunächst nur mäßig an. Es kam wieder zu einigen orographisch ausgelösten Gewittern über dem Erzgebirge, aber unsere Aufmerksamkeit galt eher den dynamischeren Zellen, die im Westen von Thüringen am späteren Abend in die Höhe schossen. Uns war klar, dass der Weg zu weit und die Zeit zu kurz war, um an diese Zellen noch heranzukommen. Ric, Pierre und Oliver haben jedoch die Wettererscheinungen der Zellen bereits gut dokumentiert:
Ric:
09.06.2010/ Nordhausen / Gewitter mit tollen Strukturen
Pierre:
Unwetter über dem Eichsfeld (Nachtrag)
Oliver:
Mein erstes Stormchasing (09.06.2010 Eichsfeld-Hagelsturm)
Da die Zellen die Energie aus der Luftmasse keineswegs herausgenommen hatten, warteten wir in Ruhe die weitere Entwicklung ab und fuhren schonmal von Rastplatz zu Rastplatz die A38 entlang, alle 1 bis 2 Stunden mit einem Radarcheck.
Was ließ dieser Himmel für die Nacht erwarten?
Bild: Martin R.
(durch die dreckige Frontscheibe hindurch fotografiert, zu sehen sind einige Ac und am Horizont die Eisschirme der Zellen über dem Eichsfeld, aufgenommen gegen 21:20)
Erwartungsgemäß bildeten sich die ersten Zellen nun auch über Baden-Württemberg und zogen unter Verstärkung nach NNO. Und tatsächlich verclusterten die Gewitter immer mehr. Auf ihrer Westseite entstand ein großes Regengebiet, an der Ostseite bildeten sich stets neue Zellen. Die Entwicklung gipfelte schließlich in einem gut organisierten mesoskaligen konvektiven System, dessen Ostseite Squalline-Charakter annahm. Hoch erfreulich für uns war die Tatsache, dass sich das System (auch typisch für einen MCS) in die Warmluft vorarbeitete und wir somit nicht noch weiter gen Westen fahren brauchten.
Da das System aber relativ langsam unterwegs war, hieß es von nun an "Warten, warten, warten..."
Also hielten wir noch länger auf Rastplätzen und fuhren zwecks Benzinersparnis auch mal mit beinahe Mindestgeschwindigkeit auf der leeren Autobahn.
Nachdem die Dunkelheit richtig hereingebrochen war, konnte man auch beinahe ununterbrochen Wetterleuchten sehen. Zum einen lebten die kräftigen Zellen aus dem Eichsfeld über dem Harz gelegentlich noch kurz auf, zum anderen waren bereits die ersten Erleuchtungen an der Wolkenoberkante des herannahenden MCS zu sehen. Bekanntermaßen kann man solches Wetterleuchten gut und gerne mal aus Entfernungen jenseits der 200 Kilometer wahrnehmen. Für ferne Beobachter wäre die Lage wohl auch prädestiniert gewesen um einige Kobolde (red sprites, blue jets) zu dokumentieren.
An der Abfahrt "Worbis / Leinefelde" fuhren wir schließlich von der Autobahn herunter und hielten an zwei Aussichtspunkten. Die abnehmende Blitzrate und die noch scheinbar weite Entfernung des MCS ließen zunächst wenig Freude aufkommen. Ein Blick auf das Radar lehrte uns aber, dass der MCS bereits ziemlich nah an uns herangerückt war. Das scheinbare Paradoxon löst sich auf, wenn man bedenkt, dass mit dem Heranrücken eines MCS auch die Bewölkung entsprechend zunimmt.
- - -
An unserem letzten Aussichtspunkt, ca. 12 km vor Mühlhausen, sollte uns schließlich klar werden, welchem "Monster" wir uns eigentlich in den Weg stellten. Die Blitze wurden heller, man konnte Strukturen in den Wolken erkennen und vor allem nahm die Blitzrate aus unserer Sicht immer weiter zu.
Die Luft stand, es war drückend schwül und am Horizont eine anrückende Shelfcloud:
Bild: Falk M.
Das Bild zeigt das südliche Ende der Front, die auf uns zurollte. Die Szenerie wirkte unheimlich und bedrohlich.
Nur das andauernde Donnergrollen und unsere Unterhaltungen lockerten die Stille auf.
Ein Blick rechts hinter den Baum, in westlicher Richtung, zeigt eine vom Stroboskopgewitter erleuchtete vierstöckige Shelfcloud, die auf uns zurollte:
Bild: Falk M.
Erdblitze, wie hier am Horizont, gab es eher weniger:
Bild: Falk M.
Auch Martins Langzeitbelichtungen zeigen: Hier rückt was großes an...
Bild: Martin R.
Ein fünftes Stockwerk (vier Regale + turbulenter Böenkragen) scheint sich auch noch präsentieren zu wollen:
Bild: Martin R.
Martin gelang schließlich die einzige Langzeitbelichtung mit einem gut sichtbarem Blitz:
Bild: Martin R.
Auf diesen Bildern ist zwar der Böenkragen nicht mehr so stark ausgeprägt, jedoch erkennt man nun zweifelsfrei das fünfte Wolkenstockwerk:
Bild: Falk M.
Bild: Falk M.
Knapp fünf Minuten nach diesem Bild setzte stürmischer Wind und leichter Regen ein. Wir verkrochen uns ehrfürchtig vor dieser Naturgewalt ins Auto und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Kurz und heftig setzte Starkregen ein, sodass man sein eigenes Wort im Auto kaum verstand. Etliche Erdblitze schlugen in nächster Nähe ein, deren Donner man aber lediglich durch das Vibrieren am Unterboden wahrnehmen konnte.
(Die Videos mit den tollen Audiokommentaren kann ich auf Wunsch bei einem späteren TSC-Treffen mal mitbringen ;))
Der Regen wurde nach einer Weile allmählich schwächer, an Aussteigen war jedoch für längere Zeit noch nicht zu denken. Die ersten Videoaufnahmen entstanden dann aus dem offenen Fenster heraus. Was in den nächsten Stunden mit dem MCS geschah, wird am besten durch unsere Videoaufnahmen dokumentiert. Markus wird euch dann noch den entsprechenden Link zur Verfügung stellen. Wer es schon eher anschauen möchte, schreibt mir bitte eine PN.
In dem Video ist zunächst die Blitzfrequenz am Aussichtspunkt zu sehen, dann einige Blitzaufnahmen von der Fahrt (ab 3:30), die sich dann bis in den Morgengrauen hinzog. Nehmt euch für das Video Zeit und schaut es euch in Ruhe an (und am besten, wenn es draußen dunkel ist ;)). Zeitweilig sind auch noch einmal ungeschnittene Szenen der Blitzfrequenz während der Fahrt zu sehen. Der größte Teil der Blitze war zwar nicht direkt sichtbar, aber allein das hochfrequente helle Aufleuchten des Himmels war spektakulär anzusehen. Die Länge des Videos erklärt sich einerseits durch die enorme Blitzfrequenz und zum anderen auch dadurch, dass die Fahrt zurück weit über zwei Stunden dauerte und wir während der gesamten Zeit praktisch ununterbrochene Blitzsalven erleben durften. Gefilmt haben Falk und Martin mit meiner Cam, während ich uns zurück nach Leipzig brachte.
Nach dieser unglaublichen Nacht hatten wir auch noch das Glück und durften ein tolles Morgenrot mit anschließendem Sonnenaufgang erleben:
Bild: Martin R.
Müde und glücklich kamen wir gegen 6 Uhr wieder in Leipzig an und begaben uns an einem weiteren schwülwarmen Tag sofort in die Hochschule...
Es grüßen die Verrückten: Falk, Martin und Chris
- wetterinteressiert und unwetterbegeistert seit Beginn der 2000er Jahre
- TSC-Mitglied seit 2007
- aktiver Chaser seit 2010
- TSC-Mitglied seit 2007
- aktiver Chaser seit 2010