Thread Schwergewitterlage 07.07.2015

  • Am Dienstag steht nach kurzer Verschnaufpause am heutigen Montag die nächste Schwergewitterlage mit Unwetterpotential an. Näheres dazu folgt heute Abend.

    1. Vorsitzender Thüringer Storm Chaser e.V.
    ESSL Voluntary Observer Person (Qualitätslevel QC1) (European Severe Storms Laboratory)
    Weitere Mitgliedschaften: Member of AMS Weatherband · Premium Advanced Spotter (Skywarn Deutschland e.V.) · Arbeitskreis Meteore e.V.

  • Mit einem erneuten Vorstoß feuchtheißer Luftmassen nach Deutschland steht wieder eine potentiell unwetterträchtige Lage ins Haus. Wie immer bestehen Unsicherheiten bezüglich der räumlichen Positionierung, etc.


    Am Vormittag liegen wir zunächst unter einem flachen Hochkeil, der Bewölkung unterdrücken und Einstrahlung fördern sollte. Die Luft ist dabei aufgrund der niedrigen Taupunkte zunächst noch sehr angenehm, entsprechend frei von hochreichender Feuchtkonvektion.


    Ab den Mittagsstunden sollte sich das dann von Süden her rapide ändern. An einer sowohl in der Höhe, als auch am Boden ausgeprägten Welle wird an der Warmfront / Dryline, eine feuchtheiße Luftmasse mit Taupunkten um die 20°C nach Thüringen advehiert. Theta-E steigt auf teils unglaubliche 70°C. In dieser Luftmasse können im Süden Deutschlands (RLP, Bayern, Ba-Wü) zum 12z-Termin 2500 - 3000, im weiteren Verlauf nach Hessen, Thüringen und Sachsen voranschreitend 2000 - 2500 J/kg ML-CAPE aufgebaut werden. Dieser überlappt sich großflächig mit hochreichender Scherung (DLS > 20 m/s). Jede Zelle, die sich in einer solchen Umgebung entwickelt, hat eine hohe Wahrscheinlichkeit sich zur Superzelle zu entwickeln. Ein stellenweise ausgeprägtes Veering (Bodenwinde eher Süd, oben fast West) könnte rotierende Aufwindtürme nochmals begünstigen, ist aber von der genauen Position des Bodentiefs abhängig. In diesem Setup sind langlebige Superzellen mit großem Hagel (> 5 cm), Orkanböen und einzelnen Tornados vorstellbar! Die Tornadogefahr ist dabei aufgrund des hohen CCL etwas gedämpfter, möglich wären sie allemal, insbesondere, wenn stellenweise bodennahe Feuchte durch vorangegangene Entwicklungen hinterlassen wurde.


    Zellinitiierung wird vom WRF gegen 15z einerseits in Südwest-/Westdeutschland, andererseits im Bereich Thüringer Wald, Vogtland gerechnet. Mit dem weiteren Vorankommen der feuchtwarmen Luftmasse - der Wellenscheitel wird hier erst gegen 20 Uhr erwartet - ist dann auch weiter nördlich Auslöse möglich, wie es Janeks WRF beispielhaft für 21z zeigt. Im weiteren Verlauf ist dann die Ausbildung einer kräftigen Squall Line mit Gefahr von Orkanböen möglich, in Bow Echos teils extreme Orkanböen. Ein MCS wird zwar etwas nördlich von uns simuliert, dessen genaue Zugbahn ist aber noch unsicher. Erfahrungsgemäß ist mit einem Anbauen in die Warmluft zu rechnen.


    Unsicherheiten bestehen auch bezüglich der Initiierung südlich von uns. Sollten die Entwicklungen im Süden Deutschlands schnell sehr stark werden, könnte deren nördlicher Anteil hier auch zum Teil zu Absinken führen. Generell ist bei diskreten Zellen nicht so verbreitet mit Gewittern zu rechnen, wie beispielsweise am Sonntag, ggfs. können Orte trocken davon kommen, dafür die Einzelentwicklungen umso heftiger ausfallen. Im Falle einer beschriebenen Squall Line erübrigt sich das Geschriebene.


    Zu beachten ist, dass die Zellen aufgrund der Höhenwinde hohe Zuggeschwindigkeiten aufweisen und gern mal nach Ost oder sogar Südost ausscheren können. Beim Chasen sollte also die Positionierung frühzeitig am südlichen Rand mit etwas Sicherheitsabstand zum Zellkern und den rotierenden Aufwinden geschehen. Ein Core Punch ist in jedem Falle zu vermeiden!


    Die Zellen sollten nachts bereits nach Osten abgezogen sein. Die eigentliche Kaltfront würde jedoch erst am Mittwochmorgen mit maximal leichtem Regen und etwas Wind durchziehen, womit endlich die Zimmer gelüftet werden können...


    Fazit: Ein hochbrisantes Setup mit einigen Unsicherheiten, welches in dieser Ausprägung ausgesprochen selten über Mitteleuropa und insbesondere Mitteldeutschland zu finden ist.

    - wetterinteressiert und unwetterbegeistert seit Beginn der 2000er Jahre
    - TSC-Mitglied seit 2007
    - aktiver Chaser seit 2010

    - als Spotter "zur Ruhe gesetzt" seit 2018

  • Sehr schön zusammengefasst Chris, besten Dank dafür (auch für die gewohnten Besprechungen dazu).
    Zwecks Chasingempfehlung noch ein paar Anmerkungen von mir: Bei den hohen Zuggeschwindigkeiten sollte man generell Autobahnnähe bevorzugen um schnell ausweichen zu können. Ein Vorwegfahren ist nur bei sehr frühzeitigem Aufbruch noch möglich, insofern die Bahn frei ist. Ansonsten sollte die Fluchtoption klassischerweise Süden sein, wenn man jedoch direkt in Zugbahn steht Norden oder Weste um den Kern zu vermeiden. Was dann aber weg ist, ist weg. Sollte ein Punch nicht zu vermeiden sein (bei linienartiger Anordnung bspw., dann unter einer Tankstelle etc. Schutz suchen. Die Hauptgefahr liegt morgen eindeutig auf Wind und (Groß)Hagel. Stay safe!
    Ich ergänze mal noch mit dem SWE Outlook und bin gespannt auf Estofex und die morgige Lage!

    +++ HIGH RISK / UNWETTERLAGE 06.07.2015 +++*** !!! Another severe weather outbreak expected for central Germany...

    Posted by Severe Weather Europe on Montag, 6. Juli 2015



    1. Vorsitzender Thüringer Storm Chaser e.V.
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  • Die klassischen Gewittervorboten und erste Cumuli über Erfurt:


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  • Kurzes Briefing / Gedanken zur aktuellen Situation:


    1.) Von Westen nähert sich mit rasender Geschwindigkeit eine Squall Line, die auch südlich anbauen kann.
    -> Sie hat bereits schwere Sturmböen in Hessen gebracht. Mit Verstärkung ist zu rechnen. Orkanböen und Bow-Echos nicht auszuschließen.
    -> Besonders aufpassen am Leading Edge (südliches Ende), dort ist aktuell Rotation zu vermuten.


    2.) Es zeigt sich, dass die relevante Feuchte erst hinter der Front advehiert wird.
    -> CAPE somit im Voraus vermutlich etwas geringer, was Unwettern aber keinen Abbruch tut.
    -> Nicht auszuschließen, dass hintendran auch noch weitere gefährliche Zellen entstehen. (rückseitige Outflow Boundary)

    - wetterinteressiert und unwetterbegeistert seit Beginn der 2000er Jahre
    - TSC-Mitglied seit 2007
    - aktiver Chaser seit 2010

    - als Spotter "zur Ruhe gesetzt" seit 2018

  • Unwetterschäden aus der RegionUpdate: Stand: 08.07.15 / 8:00 Uhr


    Aktuelle Bilder aus Sondershausen



    Gewerbegebiet Schachtstraße




    Nordhausen
    Starker Regen setzt Rettungsleitstelle unter Wasser


    Während eines schweren Unwetters ist am Dienstag Wasser in die Rettungsleitstelle in Nordhausen eingedrungen. Die Notrufnummer 112 seidaher in der Stadt und im Landkreis Nordhausen sowie im Kyffhäuserkreis nicht mehr erreichbar, teilte die Landeseinsatzzentrale in Erfurt am Abend mit. Die Polizei empfahl, in dringenden Fällen den Notruf der
    Polizei unter der Nummer 110 zu wählen. Grund für den Ausfall der Technik in der Leitstelle sei starker Regen: Das Wasser tropfe
    mittlerweile von der Decke. Wie lange es dauert, bis das Problem behoben ist, stand am Abend laut Landeseinsatzzentrale noch nicht fest. Die Feuerwehr sei in der Region im Dauereinsatz. Nach Polizeiangaben sind zahlreiche Bäume umgestürzt.


    Quelle: MDR


    Linksammlung:


    http://sondershausen.thueringe…n-Unwetter-aus-1662496357


    http://www.thueringer-allgemei…ren-im-Einsatz-1610942110


    http://nordhausen.thueringer-a…Notruf-fiel-aus-520779316


    http://www.kyffhaeuser-nachric…ews_lang.php?ArtNr=173340


    http://www.nnz-online.de/news/news_lang.php?ArtNr=173338


    Unwetter
    Sturm über Mitteldeutschland


    Heftige Gewitter haben in Teilen Mitteldeutschlands schwere Schäden angerichtet. Besonders heftig erwischte es in Sachsen-Anhalt die Regionen Eisleben und Halle. Laut Polizei wurden Dächer abgedeckt oder durch faustgroße Hagelkörner zerstört. Umgestürzte Bäume und Verkehrsschilder versperrten Straßen und Schienen. Teils wurden Straßen von Schlamm und Wassermassen überspült - unter anderem ein Abschnitt der Autoabahn 38.


    Drei Menschen verletzt - Stromausfall


    Auf dem Zeltplatz Kelbra kippte aufgrund des Sturms ein Wohnwagen um. Zwei Personen wurden dabei verletzt. Ein Schwerverletzter musste mit
    einem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen werden. In Halle verletzten herumfliegende Dachteile einen Mann. Bei Erdeborn und Hornburg wurden Starkstrommasten umgeknickt. Mehr als 5.000 Menschen waren ohne Strom.


    Über Halle bildete sich vermutlich sogar eine sogenannte "Superzelle", wie die Feuerwehr mitteilte. Damit beschreiben Meteorologen die "räumlich und zeitlich größten und gefährlichsten Gewittergebilde". Der Sturm erreichte in der Saalestadt Windgeschwindigkeiten von bis zu 115 Stundenkilometern.


    Auch aus den Landkreisen Börde, Salzlandkreis und Wittenberg wurden Sturmschäden gemeldet. Die Polizei berichtete von unzähligen Schadensmeldungen. Zahlreiche Straßen waren blockiert. Meist ging es um umgeknickte Bäume oder heruntergefallene Äste. Vereinzelt wurden Autos und Dächer beschädigt. Im Landkreis Anhalt-Bitterfeld musste die Polizei zu dutzenden Einsätzen ausrücken, meist nach Unfällen oder wegen vollgelaufener Keller. In Reppichau setzte der Blitz die Halle eines landwirtschaftlichen Betriebes in Brand.

    Notruf in Nordhausen ausgefallen


    Im thüringischen Nordhausen hatten Unwetter zeitweise den Notruf 112 lahmgelegt. Wasser war in die Rettungsleitstelle eingedrungen. Wegen der
    Unwetterschäden in Nordthüringen war die Feuerwehr im Dauereinsatz. Nach Polizeiangaben waren zahlreiche Bäume umgestürzt. Am schlimmsten hat es den Kyffhäuserkreis getroffen. Aber auch in Bad Salzungen im Wartburgkreis und im Landkreis Gotha sowie in Ortsteilen von Erfurt
    mussten Straßen wegen umgestürzter Bäume teilweise gesperrt werden. Verletzt wurde nach Angaben der Landeseinsatzzentrale niemand.


    Heftige Unwetter wüten über Thüringen

    Schwere Unwetter haben in Teilen Thüringens für Dauereinsätze der Feuerwehr gesorgt. Allein in Nordhausen meldete die Rettungsleitstelle bis zum Abend 75 Einsätze. In ganz Nordthüringen gab es Überschwemmungen, umgestürzte Bäume und gesperrte Nebenstraßen. In Nordhausen stand auch die Rettungsleitstelle selbst unter Wasser.
    Zeitweise war der Notruf eingeschränkt. Laut Landrat Matthias Jendrick ist die Leitstelle aber arbeitsfähig und die Sicherheit nicht gefährdet.Auch im Bereich Gotha und Erfurt stürzten mehrere Bäume um, Nebenstraßen wurden dadurch blockiert. Verletzt wurde niemand. In Bad Salzungen musste ein Senioren-Wohnheim teilweise evakuiert werden, weil das Wasser durch ein defektes Dach in die Zimmer drang. Die Bewohner kamen im Krankenhaus oder bei Verwandten unter. Auch die Stromversorgung wurde durch die Gewitterfront mit Blitzeinschlägen teilweise lahmgelegt. Wie der Pressesprecher der TEAG, Olaf Werner, sagte, waren 28 Orte in Nordthüringen sowie in den Höhen des Thüringer Waldes betroffen. Inzwischen funktioniert die Stromversorgung weitestgehend wieder.


    Quellen: MDR, NNZ, Kyffhäuser- Nachrichten, Thüringer- Allgemeine

  • Krass was da in der Heimat so abging!


    Die Superzelle beobachtete ich bei Schkeuditz, sah faszinierend aus:



    Ab und an zuckten Blitze herab und durch den RFD kam nach diesem Panorama starker Wind auf.



    Dann kamen noch weitere Zellen herangezogen, die Starkregen und einige schöne Blitze brachten. Etwas später kam es dann noch linienhaft zu einem Blitzfeuerwerk, wie man es hierzulande selten erlebt.


    Das beobachtete ich knapp südwestlich von Markranstädt:



    Alles weitere dazu später im Bericht. Prüfungen und Vorträge gehen da erstmal vor...


    Grüße, Maurice

  • Kleiner Nachtrag vom Dienstagabend, leider nicht viel Zeit zum Fotografieren gehabt,
    ging dann sehr schnell. Korngröße vereinzelt 3,5 cm, die Masse aber bei 2 - 2,5 cm.
    Heftig wurde es aber durch den Wind von mindestens 23 m/s, dann setzte ein Blitzschlag
    der Technik ein Stoppzeichen...
    In Lauscha am Göritzberg größerer Windbruch, auf den Fotos sieht es nach einem heftigen Downburst aus.






    (interessant das Nebeneinander von glasklarem und und milchigen Körner...)

  • Huhu,


    Hier ein paar Bilder von unserer "großen" Tour über Franken. Leider ging eine vielversprechende Superzelle auf dem Weg nach Würzburg kurz vor ihrer Ankunft kaputt.
    Siehe hier:



    An Aufgeben war aber nicht zu denken. Wir erwarteten noch ein Cluster, dass sich auch schon am Horizont ankündigte. Bei Schweinfurt bekamen wir dann die ersten Superzellen bzw. in ein sich zunehmend formierendes Cluster eingebetteten Mesozyklonen zu sehen:



    (zwei nebeneinander :P)


    Die Verlagerungsgeschwindigkeit war nicht zu unterschätzen. So wurden wir beispielsweise von diesem UFO (neue Meso) verfolgt:


    Die letzte Superzelle am südlichen Ende des Clusters sahen wir dann zwischen Bamberg und Bayreuth. Die Mesozyklone hatte schon was von einer Shelfcloud:


    Hier noch der Zusammenschnitt (wie immer):

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    LG Marco