18.08.2017 / Superzelle und Gewitterlinie / Raum Erfurt -> Weiden / Pfreimd -> Regensburg

  • Hallo zusammen, ;)


    Am Freitag den 18.08.17 stand mal wieder eine Gewitterlage im Raum. Mitte der Woche noch als gewittrig verstärktes Regengebiet wg. Kaltfrontdurchgang angesehen, entwickelte sich dann Donnerstagabend aber vor allem am Freitagmorgen schnell der Eindruck das doch deutlich mehr dahinter steckt.


    Im Rahmen der Vorbesprechung danke auch nochmal an Maurice für die ausführliche Erklärung der Soundings!


    Da unser Chase am 15. August doch eher weniger spektakulär und aufgrund von fehlenden Beobachtungsspots an der A73 etwas spärlich ausfiel, meldete ich mich also wieder bei Markus.


    Für uns beide stand bereits am Anfang der Besprechung Bayern mehr oder weniger als Hauptziel fest. Klarer Himmel und damit verbunden hohe Temperaturen sowie gute Taupunkte ließen (anfangs, dazu später mehr :grins ) quasi keine andere Wahl.
    Hinzu kam die Berechnung des Rapid HD Modell´s, dass sich vor der eigentlichen Kaltfront in Bayern einzelne größere Zellen bilden könnten/würden. Das stellte sich später als ziemlich akkurat heraus.


    Gegen 15:30 Uhr standen wir also auf einem Parkplatz nahe Arnstadt und überlegten wo es jetzt hingehen sollte. Hierbei haben wir unsere Bayern Strategie kurzzeitig über den Haufen geworfen. Durch die Auflösung der Wolkenfelder über Thüringen / Sachsen hatten wir jetzt die Qual der Wahl ob Mitte oder Süden.


    Die Entscheidung fiel aufgrund von Markus Erfahrungswerten anfangs auf Thüringen, da sich vor der Kaltfront ein paar Zellen leicht abspalteten. Die Hoffnung bestand darin das sich das Südende eben dieser Zelle(n) mit dem Eintreffen in die gute Luftmasse verstärkt. Als wir dann jedoch ca. 30 min inkl. eines kurzen Positionswechsels verbracht hatten, tat sich immer noch nicht viel.



    Zwischendurch hier und da eine einzelne Pileus auf den Quellungen.



    *Die ganze Vermutung das sich über Thüringen auch mehr entwickelt als gedacht bestätigte sich jedoch später, wie man hier anhand anderer Berichte im Forum gut sehen kann.*


    Etwas Nervosität machte sich breit, hier bleiben und darauf hoffen das noch etwas passiert oder doch die vielversprechende Südlösung einschlagen?
    Nach einem Blick auf das Wetterradar und nochmals genauer Betrachtung der aktuellen Lage in Thüringen stand dann aber fest, es geht Richtung Süden.


    Die Zellen im Raum Stuttgart entwickelten sich prächtig, unser anfänglicher Plan die Gewitter über die A71/73 abzufangen und uns via A70 oder A6 dann davor zu halten war nicht mehr praktikabel, da sich sämtliche Gewitter relativ schnell nach Nordost, später auch direkt ostwärts verlagerten. Das bedeutete A4 bis zum Hermsdorfer Kreuz, dann A9 zum Autobahnkreuz Bayrisches Vogtland und via A72 / A93 Richtung Weiden.


    Das war schon ein ziemlicher Nervenkitzel, wissentlich der langsam voranschreitenden Entwicklung über Thüringen und ohne 100-prozentige Garantie noch etwas zu erwischen, lagen knapp 2h Fahrtzeit gen Süden vor uns. Die Zellen die aktuell noch über Baden-Württembergs lagen, ließen jedoch hoffen. Vor allem die Blitzzahlen waren enorm, gut 500-550 Blitze in 10min produzierte eine Zelle konstant.


    Stormtracking: RadarHD-Stormtracking vom 18.08.2017, 17:10 Uhr - Baden-Württemberg | Wetter von kachelmann.


    Im Vorfeld ließen sich bereits einige Eisschrime mit riesiger Ausbreitung sehen, wir waren auf der richtigen Spur. An diesem Moment fiel die Nervosität ab, die eigentliche Spannung bzgl. der Ankunft dieses Monstrums stieg jedoch exponentiell an.


    Die Fahrt ging also weiter, Fahrbahnverengungen vor allem auf der A93 sorgten nebenbei nicht unbedingt für einen Abfall des Blutdrucks... :grins


    Bei Pfreimd ging es also runter von der Autobahn, schnell einen geeigneten Standort finden. Dann standen wir dort, vor uns die Superzelle mit klar erkennbarer Rotation und tiefer Wallcloud...


    Einen Moment durchatmen..., für mich persönlich stellte dieses Gewitter alles bisher gesehene in den Schatten.


    Die Planung sich etwas südlich von Weiden zu positionieren war letztlich exzellent, wir hatten einen sehr guten Ausblick auf die jetzt visuell bestätigte Superzelle.




    Schnappschuss in Zugrichtung, der Eisschirm hatte eine immense Ausbreitung.



    Ein Tornado o.ä. war trotz der starken Rotation (und zum Vorteil der Personen am Boden) nicht zu erkennen. Es finden sich jedoch mittlerweile einige Beiträge zu umgerissenen Bäumen und größeren Hagelschäden im Internet.


    Vermutlich durch die Zelle entstandene Schäden: https://www.onetz.de/kreis-amberg-sulzbach/vermischtes/unwetter-wueten-in-der-oberpfalz-hagel-vor-allem-im-raum-amberg-sulzbach-aktualisierung-maechtige-baeume-entwurzelt-d1774736.html?cp=Kurationsbox


    Radarbild: Radar HD+, Regenradar vom 18.08.2017, 19:20 Uhr - Neustadt an der Waldnaab | Wetter von kachelmann.


    Stormtracking: RadarHD-Stormtracking vom 18.08.2017, 19:20 Uhr - Amberg-Sulzbach | Wetter von kachelmann.


    So beeindruckend der Anblick auch war, es wurde Zeit wieder weiter Richtung Süden zu ziehen. Eine sich bildende Gewitterlinie sah zum Durchbrechen zu unangenehm aus und wir wollten auch noch etwas mehr Action. Nach kurzem Kontakt mit dem RFD, bot sich auf der Weiterfahrt zwischenzeitlich ein Blick in den Aufwind der Superzelle.



    Gegen 20:15 erreichten wir mit der Autobahnabfahrt Bad Abbach südlich von Regensburg unseren zweiten und letzten Standpunkt. Die Fahrt dahin bereits für sich ein Highlight, zu unserer Rechten zog im Westen eine große, kilometerlange Shelfcloud auf.




    Der Standort ist durchaus zu empfehlen, sollte man sich mal in einer ähnlichen Lage im Südosten befinden. Direkt neben der Autobahn sind freie Felder inkl der Ortschaft Seedorf, Standplätze für´s Auto gibt es auch genügend.


    Hier angekommen bot sich optisch im Vergleich zur Superzelle wieder ein anderes Bild. Die Shelfcloud der herannahenden Gewitterlinie stach wirklich hervor und der Aufzug war somit nicht weniger eindrucksvoll.





    Es war bereits ca. 21 Uhr und wir machten uns zu einem kurzen Versorgungs- / Tankstop zurück auf die A93.


    Eine eindrucksvolle und unvergessliche Tour nahm somit ihr Ende, vollends zufrieden und eigentlich mit einem Dauergrinsen im Gesicht :grins machten wir uns weiterhin bei bester Stimmung (und einer sehr interessanten Musikmischung aus Hardrock, Electro, Rap, Free Jazz sowie Pop) auf den Rückweg.


    Dabei hatten wir in der Nähe von Nürnberg auch nochmal einen kurzen eher unbeabsichtigten Core-Punch auf der Autobahn, der einem die Kraft von Starkregen kurz verdeutlichen wollte.


    Unser Hauptfazit an dem Tag war letztendlich eigentlich nur, das man den Umweg bei Erfurt nicht hätte fahren sollen. Das kostete unnötig viel Zeit ohne eigentlichen Mehrwert als ein paar Pileus.
    Stellt sich eine so klare Lage wie sie sich in Bayern andeutete heraus, verfolgt man den anfangs aufgestellten Plan besser. Im Prinzip hat trotzdem alles sehr gut geklappt, die Stops waren gut gesetzt und obgleich des doch recht weiten Ausflugs war man zu einigermaßen angenehmen Zeiten wieder in heimischen Gefilden.


    Danke nochmal an Markus als Fahrer und für die guten meteorologischen Infos auf Nachfrage!


    Grober Routenplan:



    Edit: Einige Bilder die mit einer von Markus´s Kameras während der Fahrt aufgenommen wurden habe ich mal noch hinzugefügt.


    Edit 2 (Aug 2020): Überarbeitung der Bilder im Beitrag

  • Tip:


    Wollt ihr irgendwann mal wieder schnell zur A93 Richtung Weiden.


    Einfach A9 Abfahrt BERG/BAD STEBEN schon abfahren, dann Richtung Hof, durch Hof durch auf der 4 spurigen B15 und bei REHAU wieder auf die A93.
    Spart man trotz Stadt 10 Minuten Zeit und gut 15 Km an Weg in Richtung Weiden ein als wenn man über Dreieck Bay.Vogtland und Dreieck Hochfranken fährt.

  • Vielen Dank für den schönen Bericht, @Felix448!
    Das 3. Chasing mit dir hat wirklich gut funktioniert und du verstehst was von den Grundlagen. Weiter so!


    Auch für mich wird der Tag besonders bleiben, gerade wegen der Strukturen und deutlich sichtbaren Rotation.



    Die Entscheidung fiel aufgrund von Markus Erfahrungswerten anfangs auf Thüringen da sich vor der Kaltfront ein paar Zellen leicht abspalteten. Die Hoffnung bestand darin das sich das Südende eben dieser Zelle(n) mit dem Eintreffen in die gute Luftmasse verstärkt. Als wir dann jedoch ca. 30 min inkl. eines kurzen Positionswechsels mehr oder weniger vergeudet hatten, tat sich immer noch nichts.

    Und wie man am Bericht von Maurice sieht, hätten wir auch da erfolgreich sein können. Die vorlaufende Zelle, die wir zunächst beobachteten, fiel zumindest wieder zusammen. Der Erfahrungswert bestätigt sich also doch wieder für Zellen die aus Gießen/Marburg kommen und dann bei passenden Bedingungen besser ausscheren. Christoph hat das mal näher analysiert: Superzellen am Südharz und im Süden Sachsen-Anhalts




    Für uns beide stand bereits am Anfang der Besprechung Bayern mehr oder weniger als Hauptziel fest. Klarer Himmel und damit verbunden hohe Temperaturen sowie gute Taupunkte ließen (anfangs, dazu später mehr :grins ) quasi keine andere Wahl.
    Hinzu kam die Berechnung des Rapid HD Modell´s, dass sich vor der eigentlichen Kaltfront in Bayern einzelne größere Zellen bilden könnten/würden. Das stellte sich später als ziemlich akkurat heraus.

    Ein ausschlaggebender Punkt war auch die Modellkonsistenz, die die vorlaufenden Zellen bei Nürnberg stets simulierten, während es für Thüringen mehr Fragezeichen und "hin und her" gab. Die Werte am Tag bestätigten das Zielgebiet nochmal. Und dabei sollte man auch bleiben ;)


    Ich denke viele Chaser stellen sich so was unter einem Level 3 von Estofex vor, daher kann man auch sagen, es war ein geheimes Level 3 ;) Und es zeigt auch mal wieder, man braucht keinen 2.000 J/kg oder mehr wenn z.B. genügend Scherung vorhanden ist.


    VG
    Markus

    1. Vorsitzender Thüringer Storm Chaser e.V.
    ESSL Voluntary Observer Person (Qualitätslevel QC1) (European Severe Storms Laboratory)
    Weitere Mitgliedschaften: Member of AMS Weatherband · Premium Advanced Spotter (Skywarn Deutschland e.V.) · Arbeitskreis Meteore e.V.

  • Markus

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