Moin zusammen,
die Vorfreude auf die neue Saison geht bei mir so langsam los. Dem ein oder anderen wird es wahrscheinlich ähnlich gehen, deswegen schiebe ich hier mal einen Bericht vom 16.08.2023 nach um die langweilige Zeit noch etwas zu überbrücken.
Ausgangslage
Für den 16. August 2023 wurde von den Modellen eine starke Gewitterlage im südwesten Deutschlands berechnet. Unter anderem hohe Taupunkte zwischen 18 und 20 Grad, eine akzeptable DLS um 30 kn und CAPE-Werte um 800 J/kg ließen auf einen erfolgreichen Tag hoffen. Nur wo und wann es genau stattfinden sollte war bis zum Schluss unklar. Der Offset der Modelle, was die simulierte Reflektivität angeht, reichte vom südwestlichen Baden-Württemberg bis zum nördlichen Rheinland-Pfalz an der Grenze zu NRW. Auch zeitlich herrschte alles andere als Einigkeit, hier war von 14 Uhr bis hin zu 23 Uhr alles vertreten. Deshalb war es für mich schon am Vorabend klar, dass es auf Nowcast hinauslaufen würde.
Das Chasing
Um 11 Uhr vormittags war dann bereits ein Gewittercluster westlich von Lyon in Frankreich aktiv (https://kachelmannwetter.com/d…reich/20230816-0900z.html). Sehr erfreulich, musste dieses System ja nur noch schlappe 600 Kilometer bis zu mir durchhalten Da ich alleine unterwegs sein würde kam ein entgegenfahren bis nach Frankreich nicht in Frage, also erst mal für eine anstehende Klausur lernen und das Radar im Auge behalten.
Gegen 15 Uhr, der Gewittercluster von morgens war mittlerweile zu einem ausgewachsenen MCS mit schönem Bow-Echo gereift (https://kachelmannwetter.com/d…raine/20230816-1300z.html), kristallisierten sich ein paar Sachen heraus: Zum einen konnte man mittlerweile die Baden-Württemberg Option ausschließen, dafür zog das System zu weit nördlich. Zum anderen wurde der zeitliche Rahmen klarer, die Hoffnung auf Struktur im hellen war noch am leben. Jetzt stellte sich nur noch die Frage, ob das MCS nördlich in den Hunsrück hinein oder südlich des Mittelgebirges ziehen würde. Aber auch diese wurde recht schnell mit "nördlich" beantwortet und ich machte mich auf den Weg. Der erste Spot lag bei Irmenach an der B50, knapp östlich des Moseltals. Ich hätte gerne noch etwas weiter westlich gestanden, wollte aber die zeitraubende Durchquerung des Flusstals bei einer eventuellen Flucht nach Osten nicht noch vor mir haben.
Aber auch so konnte ich an meinem Standpunkt recht schnell die ersten Strukturen ausmachen
Erster Blick auf das Bow Echo gegen 18:22 Uhr, Standort nähe Irmenach (RLP)
Während meiner Anfahrt zum ersten Standpunkt hatte sich das gesamte System von einem MCS zu einem auf dem Radar (https://kachelmannwetter.com/d…selle/20230816-1610z.html) sehr gut sichtbaren MCV gewandelt, dessen aktivster Teil das auf mich zuziehende Bow-Echo war. Die Struktur fand ich anfangs etwas ernüchternd, gefiel mir aber immer besser je näher sie auf mich zu kam
Panorama gegen 18:30 Uhr, nähe Irmenach (RLP)
Gegen 18:31 Uhr, nähe Irmenach (RLP)
Gegen 18:33 Uhr, nähe Irmenach (RLP)
Da der MCV mit einer nord-östlichen Zugrichtung unterwegs war und ich eine 4-Spurige Bundesstraße genau nach Osten als Fluchtroute zur Verfügung hatte, auf der man auch noch schneller als 100 fahren durfte, konnte ich das Bow-Echo recht nahe an mich herankommen lassen. Zusätzlich war die Zuggeschwindigkeit mit etwa 50 km/h ebenfalls nicht allzuhoch. So entstand kurz vor knapp dann noch dieses Panorama, welches glaube ich mein Lieblingsbild von diesem Tag ist
Panorama kurz vor Abfahrt gegen 18:35 Uhr, nähe Irmenach (RLP)
Danach dann schnell die Zeitrafferkamera abgebaut, alles ins Auto geworfen und schnell zurück auf die B50 nach Osten. Durch die niedrige Zuggeschwindigkeit konnte ich noch einmal etwas Abstand aufbauen und fuhr etwa 40 km weiter östlich meinen zweiten Standort bei Rheinböllen an. Hier reichte es dann aber trotzdem nur für ein Panorama und einen hoffentlich ganz guten Zeitraffer
Südseite des Bow-Echo gegen 19:15 Uhr, nähe Rheinböllen (RLP)
Panorama gegen 19:17 Uhr, nähe Rheinböllen (RLP)
Nach diesem letzten Panorama musste ich die Jagd dann auch abbrechen, da es von hier aus schlichtweg keine Straßen nach Osten über den Rhein gibt. Entweder man müsste nach Koblenz im Norden oder Mainz im Süden fahren um über den Fluss zu kommen. Die Nordoption fiel natürlich aufgrund der Zugbahn ins Wasser (im wahrsten Sinne des Wortes), die Südoption war aber ebenfalls raus, da man von Mainz aus ersteinmal durch das ganze Rhein-Main-Gebiet muss um wieder nach Norden zu kommen....
Zwischenzeitlich hatte ich auf dem Radar gesehen, dass das Südende des Gewitterkomplexes aktiv geworden war und es dort immer neue Zellen anbaute. Der MCV-Charakter ging ebenfalls zusehends verloren und das System transformierte sich wieder zu einem MCS , das im weiteren Verlauf über Südhessen noch einmal ordentlich gas gab.
Ich ließ mich zu Hause also von dem strukturlosen, aber sehr blitzaktiven Süd-Teil überrollen (https://kachelmannwetter.com/d…pfalz/20230816-1800z.html), erlebte dabei noch einen Naheinschlag zwei Straßen entfernt von meiner Wohnung (der Donner hatte es wirklich in sich sage ich euch ) und wartete auf die Rückseite für eine eventuelle Blitzshow.
Als der Regen vorbei war fuhr ich noch einmal an den Rhein, der zum Glück nur 5 Minuten von mir entfernt ist, und hoffte dort auf rückseitige Crawler. Also ein schönes Motiv gesucht, die Kamera auf Intervallaufnahme gestellt und gewartet. Die sichtbaren Blitze waren leider nicht sehr zahlreich, es schaute aber immer mal wieder einer heraus. Bis sich plötzlich ein Crawler spinnennetzartig über den gesamten Himmel ausbreitete. Aber wie sollte es anders sein, meine Kamera war gerade genau zwischen zwei Auslösungen... Über diesen verpassten Blitz kann ich mich heute noch aufregen
Für ein ganz nettes Bild hat es am Ende aber doch noch gereicht
Rückseite abziehendes MCS gegen 21:30 Uhr, nähe Heidenfahrt (RLP)
Stellt euch das Bild jetzt mal mit einem himmeleinnehmenden Crawler vor... Naja lassen wir das
Danach ging es dann endgültig nach Hause zum Bilder sichten
Fazit
Diese selbst am Vortag noch extrem schwer einzuschätzende Gewitterlage führte am Ende zu einem meiner erfolgreichsten Chasings 2023. Klar, die Struktur ist nichts weltbewegendes, es gab keinen 15 cm Hagel (zum Glück) und das Blitzbild könnte auch besser sein (der Crawler ey...), aber man muss für ein tolles und erfolgreiches Chasing auch nicht immer alles in der Superlative haben finde ich. Oder wie seht ihr das?
Hier noch die gefahrene Strecke von diesem Tag
Insgesamt gefahrene Strecke: ca. 170 km
Ich hoffe euch hat mein erster Bericht hier im Forum gefallen, vielen Dank fürs Lesen
Liebe Grüße aus Rheinhessen
Sebastian