- Offizieller Beitrag
Das ist heute nicht leicht auf den ersten Blick. Nordoption oder Südoption? Nordoption an der Warmfront hat bessere Feuchte und Scherung als der Süden und ein besseres Tornadopotential. Der Süden braucht länger und wird erst zum Abend an der Dryline interessanter. Da mit der Nordoption auch ein Bow Echo möglich ist, was isolierte Zellen schnell „frisst“, wären wir dann aber auch raus, denn die Südoption wäre dann futsch.
Für den Süden spricht die Kombi aus isolierten Zellen und Dryline mit dem Low Level Jet am am Abend. Das wäre das nötige Werkzeug für die Superzellen-Show. Struktur geht doch immer, oder? Und auch hier gibt es Tornadochancen (wichtig für Anton).
Wir verlassen Dodge City am frühen Mittag und positionieren uns erstmal mit den anderen in Woodward. Passend dazu gibt’s Erfrischungen im Twister’s Cafe:
Als Storm Chaser muss man lernen, mit Schmerz umzugehen. Damit ist der Schmerz der Entscheidungen gemeint, wenn es an einem Tag mehrere Optionen gibt und man eine wählen muss. Die nördliche Option hat entgegen morgendlicher Modellläufe, auf die sich Anton und Christoph u.A. fokussierten, an der Warmfront eine Superzelle ausgelöst, die einen Tornado produzierte. Das drückt natürlich erstmal die Stimmung, wenn am eigenen Standort noch nichts passiert. Bei mir ist nach über 20 Jahren Chasing ein gewisse Gleichgültigkeit eingekehrt, da schon so viele Entscheidungen getroffen werden mussten und so viel Schmerz verbraten wurde, dass es schon gar nicht mehr weh tut. Ich werde alt. Zurück zum Thema.
Jede große Zelle fängt mal klein an. Und sieht zu Beginn noch gar nicht so spannend aus:
Wir stehen leicht östlich von diesen Zellen, um die Entwicklung noch abzuwarten und weitere Optionen zu haben. Als deutlich wird, dass die südliche Zelle sich weiter verstärken wird, fahren wir ihr entgegen. Während der Fahrt zeigten sich schöne Mammatuswolken:
In direkter Zugbahn halten wir am Straßenrand und schauen der Zelle zu. Inzwischen hat sie sich noch weiter verstärkt. Hinter uns gehen aus dem Schirm Erdblitze in der Distanz herunter.
Wir fahren wieder näher heran und haben auf einem Hügel eine atemberaubende Sicht auf die Superzelle. Was für eine Struktur!
Sie ist angenehm zu chasen, da sie sich nur langsam verlagert. Wir müssen aufgrund von starkem Inflow und einsetzendem Regen aber den Standort wechseln.
In Hammon zeigt sich die gesamte Zelle noch einmal sehr eindrucksvoll:
Und nein, auf dem Schild steht nicht "Sometimes i wet my pants", sondern "pLants"
Weiter geht’s nach Osten. Hat übrigens jemand damit gerechnet, dass wir heute in Oklahoma chasen? Nein. An 2 Punkten entlang des Highways halten wir nochmal und begaffen diese tolle Superzelle.
Als die Signatur im Dopplerradar immer eindeutiger wird und die ersten Tweets mit einem Tornado nördlich von Custer City auftauchen, sind wir gerade südwestlich der Stadt.
Während die Sirenen heulen, fahren wir durch die Stadt und erhalten immer mehr Blick nach Norden. Irgendwo in der dunklen Front vor uns ist er. Als wir Sicht erhalten, hat er gerade weiter nördlich von uns den Highway passiert. Wir sind im sehr starken RFD, der unser Auto wackeln lässt und Regentropfen wie Nadelstiche anfühlen lässt. Da auch die Sonne rauskommt, gibt’s noch einen Regenbogen. Eine verrückte Stimmung.
Wir fahren noch weiter hinterher, erhalten aber nicht noch einmal Blick auf den Tornado. Er hat sich zu diesem Zeitpunkt vermutlich auch schon wieder aufgelöst. Zurück auf die I-40 nach Osten. Die Superzelle zieht fast parallel. Das passt doch ganz gut.
Da sie inzwischen auch wieder am neuen Zyklus arbeitet, haben wir nochmal Chancen. Während der Fahrt zeigte sich dann auch links von uns eine verdächte Absenkung, die jedoch die Wallcloud war.
Da wir gezwungen sind, vor Oklahoma City die Jagd aufgrund der Stadt zu beenden, können wir auch nicht mehr lange mitfahren. Auf der Interstate hatten geradlinige Winde einen Sattelschlepper umgeworfen und viele Pilonen und Schilder im Baustellenbereich umgeweht. Nach kurzer Besprechung entscheiden wir uns – im Hinblick auf den nächsten Tag – für die Fahrt nach Norden. Im Norden Oklahomas sind auch noch Superzellen unterwegs. Kann man ja noch mitnehmen.
Im Radio lassen wir die Live-Berichterstattung des lokalen Fernsehsenders laufen. So sind wir quasi doppelt live dabei. Die Superzelle nimmt direkten Kurs auf Oklahoma City. Bei Yukon ist bereits ein Tornado am Boden. Wir bangen und hoffen, dass die Metroarea nicht auch noch von einem Tornado getroffen wird. Hoffentlich geht alles gut.
Unter ständigem Geblitze fahren wir knappe 2h Richtung Woodward. Jaja, da haben wir heute auch schon angefangen. Richtig.
Und weil eben noch kein Ende in Sicht ist, hat die letzte Zelle der nördlichen Gewitter sich soweit verstärkt, dass aus der geplanten „Blitzfotografie“ mehr wurde, denn sie ist tornadobewarnt und die Signatur im Doppler sieht verdächtig aus. Wir können ihn nur aufgrund des Regens nicht sehen.
(Bild von Anton)
Als der Uhrzeiger mehr gegen Mitternacht geht, beenden wir nun wirklich für heute die Jagd.
Was war das für ein Tag? Wir haben über Stunden eine Superzelle mit beeindruckender Struktur zu verschiedenen Stadien begleiten können. Mehrmals waren wir den eingebetteten Tornados nah gekommen. Wir fieberten und bangten mit, dass kein Tornado die OKC Metro Area trifft (hat er glücklicherweise nicht) und sind am Ende nochmal an einer Zelle mit Tornado dran.
Anton meint, es war das beste Chasing für ihn seitdem er mit dem Chasing begonnen hat. Wie schnell der Schmerz doch wieder verflogen ist…