- Offizieller Beitrag
Die tägliche Dosis Staub und Stratus führte uns heute nach Oklahoma. Entlang der Dryline ist am späteren Nachmittag mit Superzellen inklusive Tornadopotential zu rechnen. Das Problem ist die Länge der Dryline und die Ungewissheit, an welcher Stelle sich „die“ Zelle des Tages bilden wird. Die Wettermodelle sind da ebenfalls sehr unterschiedlicher Ansicht in fast jedem Modelllauf.
Wir entscheiden uns für das Gebiet, wo die Feuchtekonvergenz am größten ist und platzieren uns taktisch etwas in der Mitte, um noch Puffer zu haben, falls wir nach Süden oder Norden anpassen müssen. Die Entscheidung fällt auf Elk City. Damit die Wartezeit angenehm bleibt, hat Anton einen See ausgesucht. Gute Wahl!
Auf der Fahrt unser täglicher Stratus, der allerdings heute am Vormittag als sehr gutes Zeichen für die spätere Lage zu werten ist.
Am See wird es im Verlauf auflockern. Solange genießen wir die Luft und vertreiben uns mit Gesprächen die Zeit.
Als die Auslöse beginnt, werden zwei Zellen interessant. Potential hat die südliche Zelle, die wir nun anfahren. Vor Ort müssen wir nochmal korrigieren und ein stück ost- und dann wieder südwärts ausweichen. Während der Fahrt ist bereits zu sehen, dass die Zelle „Bock hat“. An der Basis sind immer Rotation und daran tanzenden Fracti zu sehen.
Wir halten und schauen eine Weile zu, während sich aus Süden die nächste Zelle bereits hinter „unserer“ Zelle gebildet hat und sich mit ihr vereinen wird.
Dann setzt Hagel ein und wir müssen erstmal zwangsläufig wieder verlagern. Am nächsten Punkt wird es bereits interessanter. Am Boden ist Staub zu sehen, der nicht vom RFD stammt und auch deutlich rotiert. Es sollte der erste Tornado an diesem Tag sein. Kurzlebig und ohne voll auskondensiertem Wirbel.
Wir bleiben an der Zelle dran. Unsere tägliche Packung Staub fällt heute in XXL aus. Es geht über enge, trockene Feldwege zusammen mit vielen anderen Chasern. Eigentlich haben wir unseren eigenen Staubstrum produziert. Der starke Inflow der Zelle unterstützt uns zusätzlich.
Als wir endlich wieder eine asphaltierte Straße erreichen, wollen wir erstmal Platz gewinnen. Eine gute Routenoption zum besten Zeitpunkt der Organisation der Zelle ist leider nach Norden gesperrt. Die Umleitung führt uns zwar erstmal an die richtige Stelle, wird später aber nur im äußersten Notfall als Fluchtoption dienen können.
Wir halten am Straßenrand. Die schnelle Bewegung in der Zelle lässt keinen Zweifel, dass hier bald etwas größeres entsteht. Und dann ist am Horizont doch tatsächlich ein breiter Keil aus der Wolkenunterkante mit tanzenden Wirbeln darunter zu erkennen. Ein Multivortex-Tornado! Für alle das erste Mal, so etwas zu sehen. Wir haben an unserem Standort Glück, dass wir Zeit zur Beobachtung haben und nicht sofort verlagern müssen.
Wegen dieser blöden Straßensperrung wird uns aber die Option genommen, nach Norden hinterherzufahren. Und wir müssen bedenken, dass unsere einzige Fluchtoption nach Süden im Zweifel von dem Ding abgeschnitten werden könnte, wenn er zu weit ausschert. Denn wir stehen in direkter Zugbahn. Der Tornado geht weder nach links oder rechts, sondern wird größer. Das heißt, er kommt auf uns zu.
Als wir losfuhren, ist der Multivortex beeindruckend hinter dem Berg zu sehen. Ein faszinierendes Erlebnis. Die verschiedenen Wirbel gehen so schnell in unterschiedlicher Form und Richtung von links wie rechts und oben nach unten durcheinander.
Screenshots vom Video:
An der Kreuzung mit der Straßensperrung wissen wir, dass wir sicher sind und wieder aussteigen können. Der Tornado zieht mit ausreichend sicherer Entfernung an uns vorbei. In diesem Bereich stehen viele Chaser und Tourbusse. Wir reihen uns mit ein und bekommen noch den Kitsch schlechthin: Tornado und Kühe in Oklahoma!
Als der Tornado vorbeizieht, können wir ihn das erste Mal hören. Ein gespenstisches Rauschen ist in der Distanz zu hören. Es ist anders als Meerrauschen oder starkem Wind. Schwer zu beschreiben. Man muss es selbst gehört haben. Der Regen hüllt den Tornado ein paar Minuten ein. Viele Chaser verlassen jetzt den Standort.
Wir bleiben aber stehen und das sollte noch einmal die beste Entscheidung sein. Als sich der rückseitige Abwind herumwickelt, wird es wieder klarer und der Tornado ist wieder zu sehen. Da wir nun auch auf der passenden Seite des Lichts sind, wird der Anblick nur noch besser und der Tornado selbst zeigt sich als dicker „Stovepipe“ (zu dt. etwa „Ofenrohr“ in Bezug auf die Form).
Wie toll sieht das bitte aus?
Als er nicht mehr zu sehen ist, brechen wir auch wieder auf. Wir möchten an der Superzelle dran bleiben, da sie sich nur wenig verlagert. Mit fortschreitender Zeit wird es aber auch zunehmend dunkel. Die Superzelle selbst wird nun auch mehr HP. Alles Faktoren, die nicht unbedingt günstig für uns sind. Die Show war zu diesem Zeitpunkt schon gelaufen.
Dennoch bleiben wir noch eine Weile dran, bis das Sonnenlicht weg ist. Zu sehen gab es allerdings nichts mehr. Für den nächsten Tag fahren wir noch bis Wichtia Falls. Unterwegs gab es noch ein kurzes, schnelles Abendessen.
An der Superzelle mit ihrem Tornado waren auch mehrere Teams aus der Forschung dran. Auf X konnte man bereits lesen, dass alle wertvolle Daten, Bilder und Videos erhalten haben. Das ist besonders schön zu wissen, denn diese Forschungsarbeit ist so wertvoll und wichtig und vor allem auch nie zu Ende. Eins der mobilen Dopplerradare hat einen beeindruckenden Scan aus der Nähe gemacht:
Quelle [2]: x.com
Loop: x.com
Bis hierhin für alle wohl das Highlight der Tour. Für den Großteil der erste Tornado und für alle der erste Multivortex-Tornado. Strategie und Positionierung gingen auf. Wir waren in keiner akuten Gefahr zu irgendeinem Zeitpunkt, da wir immer genug Sicherheitsabstand hielten. Anton und Christoph haben hervorragend Vorhersage, Nowcasting und Positionierung organisiert, Andre und Claudia wieder einmal perfekt die Fahrzeuge durch die Prärie gesteuert.
Ein Tag, der immer in Erinnerung bleiben wird.