Der heutige Tag begann mit einem für amerikanische Verhältnisse sehr abwechslungsreichen Frühstück mit frisch zubereitetem Ei, Bacon, Waffeln und einer Auswahl an Gebäckvariationen. Gut gestärkt sollte der Gewitterfokus heute im Texas Panhandle mit Verlagerung nach Südosten im weiteren Tagesverlauf liegen. Die Erfahrung zeigt, dass Gewitter im Texas Panhandle nur selten eine Enttäuschung sind. Die Modelle suggerieren, dass sich am heutigen Tag entlang einer Kaltfront einzelne Zellen entwickeln, welche aber schnell verclustern und zu einer weitläufigen Linie entwickeln, welche quer durch Texas zieht. Das heißt, die erste Zelle anfahren, solange sie noch freistehend ist und dann überrollen lassen. …ob es so kommt? Das wird sich zeigen.
Unser Zielgebiet legten wir zunächst im Bereich der I27 zwischen Amarillo und Lubbock fest – an die Kaltfront. Was uns jedoch schnell stutzig machte ist eine Outfowboundary, welche von dem morgendlichen MCS über Oklahoma nach Texas reinzog. Wir disponieren also um und verlagern uns an die Grenze des Outflowboundaries nach Childress.
In Childress angekommen gab es das erste mexikanische Essen der Reise, Tacos und Bouritos von einem kleinen Imbissanhänger, welche unfassbar lecker waren.
Kaum gestärkt, ging an der Outflouboundary bereits erste Konvektion los. Da wir mit schneller Verclusterung rechneten, haben wir die erste Aktivität bereits angefahren.
Der erste Gewitteraufwind konnte sich zwar nicht durchsetzen, aber wenige Minuten später ging westlich davon ein weiterer Aufwind hoch, welcher sich schnell etablierte und von tief dröhnenden Donnern begleitet wurde. Wie so häufig sind wir eine der ersten Chaser, die an dem Gewitter dran sind, doch das wird nicht so bleiben.
Das Gewitter bildete nun ein kräftiges Hook Echo aus, weshalb wir näher ranfahren, um einen besseren Blick auf die Wallcloud zu bekommen. Wir stehen gefühlt eine ganze Stunde vor dem sich immer besser organisierten Gewitter, welches nahezu ortsfest ist. Langsam kommt von Norden jedoch der Hagelkern, welcher uns langsam den Weg abschneiden möchte. Da kein Tornado in Sicht ist und die Hauptrotation die Straße bereits überquert hat, entscheiden wir uns durch das Hook-Echo durchzustoßen und uns auf der nächst südlicheren Straße erneut vor die Wallcloud zu stellen.
Wir stehen jetzt direkt vor der Rotation, der RFD weht uns stürmisch entgegen. Eine halbe Meile nördlich von uns sieht man, wie Rotation der Wallcloud immer enger wird – sie möchte einen Torando werfen, aber letzten Endes passen die Bedingungen nicht und es bleibt bei einem Versuch.
Als die Rotation nachlässt, verlagern wir uns nach Osten, um wieder einen totaleren Blick auf die Wallcloud zu bekommen und in das Hook Echo zu schauen. An der Straße verteilt haben diverse wissenschaftliche Einrichtungen Messtechnik aufgebaut, wie auch bereits bei den Chasings zuvor.
Nachdem die klassische Superzelle schon deutlich länger freistehend zu beobachten war als angenommen, gab es nun Neuentwicklungen im Süden, welche sich mit unserer Superzelle vereinigen werden. Wir fahren südwärts um wieder vor die Zelle zu kommen. Mittlerweile haben sich die gesamte USA zum Chasen vor dieser einen Superzelle getroffen. Für über eine Meile gab es am Straßenrand keinen freien „Parkplatz“ mehr, weil alles von Chasern zugeparkt war. Das war die größte Chaserkonvergenz, die wir bis jetzt hatte und das war richtig gefährlich.
Nach einem letzten kurzen Halt entschieden wir uns, dass es vor dieser Superzelle keinen Sinn mehr macht.
- Die Superzelle ist nun in den HP-Modus übergegangen
- Sie hatte potentiell sehr großen Hagel im Gepäck
- Sie wurde Tornado bewarnt => Rain-wrapped macht das ganze noch gefährlicher
- Es war kaum noch ein vorwärtskommen möglich wegen der sicherlich >1000 Chasern
Das alles veranlasste uns dazu, die Superzelle ziehen zu lassen und wir hofften auf neue Gewitter im Süden, welche noch die unverbrauchte Luftmasse zur Verfügung hatten. An einer Kreuzung sind schließlich ALLE Chaser nach Osten abgebogen, wir fuhren südwärts und waren plötzlich wieder das einzige Auto auf den weiten Straßen von Texas.
Mittlerweile hat die HP-Superzelle eine Outflowboundary nach Süden geworfen, von welcher wir uns das Zünden einer weiteren Zelle erhofften. Leider kam das nicht so, also ging es weiter nach Aspermont, wo eine neue Zelle sich zunehmend besser organisierte. Sie hatte bereits ein Hook-Echo gebildet. Nach fast 1h Fahrzeit konnten wir uns südöstlich der Superzelle positionieren, welche nun vom klassischen in den HP-Modus überging. Am größten war der Kontrast bezüglich der Chaser. Wir stand jetzt völlig alleine vor der Superzelle, ohne auch nur einen anderen Chaser. Alle anderen standen an der nördlichen Superzelle, welcher mittlerweile einen bestätigten Tornado im Niederschlag und Hagel bis 6“ (15cm) geworfen hatte.
x.com/ColtForney/status/1926762280034693560?t=G3DTRux7FHGtdw6tjbSEnw
Wir verlagerten uns wieder ostwärts, als die Zelle ihren Höhepunkt erreichte. Der Anblick ist nicht in Worte zu fassen und wir freuten uns, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Das ganze Spiel konnten wir noch zwei mal wiederholen, da die Zuggeschwindigkeit immer noch sehr gering war. Entgegen der Erwartung hat die Verclusterung erst deutlich später angefangen, weshalb wir viel länger chasen konnten als ursprünglich gedacht.
Am letzten Standort war das Aussteigen aus dem Auto schließlich zu gefährlich, da die Superzelle viele positive Blitze am Rand des Niederschlages und zum Teil aus dem Amboss warf, sodass der ein oder andere Naheinschlag dabei war. Mittlerweile ist auch die erste nördliche Superzelle mit der zweiten südlicheren zusammengewachsen. Zusammen mit viel Niederschlag hat sich schließlich eine lange Gewitterlinie gebildet, wobei wir immer noch am fotogenen Südende standen.
Das Chasing ging mittlerweile 6h, es wurde langsam dunkler und der Tank war fast leer, sodass wir schließlich beschlossen, das Chasing für heute zu beenden, schließlich erwartet uns morgen bereits die nächste Lage im Edwards Plateau in Texas.
Auf dem Weg nach Abeline ging es nochmal tanken und natürlich zog die nächste Shelfcloud auf uns zu. Völlig übersättigt von Eindrücken haben wir sie aber links liegen gelassen und sind weiter ins Hotel gefahren.
Im Hotel angekommen überrollte uns der MCS (ggf. mittlerweile zum MCV gewachsen) mit vielen Blitzeinschlägen. Einer davon hat für einen kurzen Stromausfall im gesamten Viertel gesorgt. Erschöpft ging es ins Bett, damit wir wieder fit für den Folgetag sind. Was für ein Tag!