Hi Chris and @all,
hab mich wie üblich rar gemacht im Forum, sodass es erst wieder nen Anstupser brauchte bis ich reagiere.
Du hast schon viele interessante Punkte passend zur Thematik abgearbeitet. Generell sind Änderungen des Jetstreams in Folge höherer Globaltemperaturen schwer vorherzusagen, aber besonders schwer ist es aus den von Dir genannten Gründen über Europa. Während eine Nordwärtsverlagerung des Jets unausweichlich ist (im Mittel), sieht es für das Verhalten der Welligkeit ganz anders. Tendenz ist "welliger", d.h. eine höhere Wellenzahl im Sommer, was mit erhöhter Blocking-Neigung einhergeht. Und das was wir jetzt sehen wäre ein klassisches Bsp dafür. Es wird weiterhin Shiiieeet-Sommer geben, aber die Anzahl warmer, geblockter Sommer sollte zunehmen.
Was dieses Jahr ironischerweise geholfen haben könnte, ist der kalte Feb/März. Dank Sudden-Statospheric Warming gabs nen Monster-Winter-Block, währenddessen dem Jet über dem Atlantik nix blieb als nach Norden und Süden auszuweichen, was nach mehreren Wochen zu dem jetzt noch sichtbaren Horseshoe-Ozeantemperatur-Anomaliemuster geführt hat (kalt südlich von Grönland und im tropischen Atlantik und warm dazwischen. Geht man mit einem solchen Muster in den Spätfrühling und/oder Sommer, fängt die Atmosphäre an sich mehr und mehr nach den Ozeantemperaturanomalies zu richten, da der Jet im Sommer deutlich schwächer ist. Im Ergebnis stellt sich eine Persistenz der Lage ein, die sich erst nach vielen vielen Versuchen der Westdrift gegen den Block anzurennen abschwächt (was jetzt so langsam zu passieren scheint).
Unabhängig vom [definition=53,0]Jetstream[/definition] wird es wärmer und trockener, unterbrochen von Starkniederschlägen, die in der Summe zwar die gewohnten Regenmengen bringen mag, aber in der realen Welt halt als Abwechslung von Dürre und Überschwemmung daherkommt. Das ist der sogenannte thermodynamische Effekt infolge der Erwärmung. Beides zusammen, die zirkulatorischen und thermodynamischen Änderungen bescheren uns dann ein geändertes Risikoszenario für Extremereignisse, dessen Quantifizierung mein derzeitiger Job ist. Markus hat unsere jüngste Analyse zur Hitzewelle schon verlinkt, aber doppelt hält bekanntlich besser: https://www.worldweatherattribution.org/analyses/attri…orthern-europe/
Bezüglich des anthropogenen Anteils an der Erwärmung kann ich auch Expertise liefern, denn das einzige Paper dazu bisher stammt von mir und meinen Kollegen: A real-time Global Warming Index ... Stellt sich raus (bzw das wussten wir grob schon vom letzten IPCC-Report), dass sämtliche Erwärmung seit 1850 menschengemacht ist. Ohne unseren Einfluss wären die Temperaturen noch so wie vor ~170 Jahren (genau genommen sogar ein ganz klein wenig kühler als damals). Hier noch unsere Website mit der exakten Angabe wieviel Warming wir "produziert" haben: http://www.globalwarmingindex.org/ ... Das ist in der Wissenschaft weitgehend unumstritten, auch wenn in der Öffentlichkeit (leider) ein anderer Eindruck herrscht. Ende des Jahres gibts noch ein Synthesis-Paper von mir dazu, wo noch ne ganze Menge mehr Co-Autoren drauf sein werden.
Soweit für den Moment ... ich versuche zu ergänzen, wenn es weitere Fragen oder Anmerkungen gibt, bzw neue wissenschaftliche Erkenntnisse (Spoiler: einer meiner Kollegen in Oxford arbeitet gerade an nem spannenden Paper zur Zirkulation in diesem Sommer)
KarSteN
Das ist auch ein interessantes Thema, es beschreibt sozusagen den ozeanischen Teil der Klimawandel-Thematik. Gleichwohl ist es etwas umstrittener unter Fachleuten, inwiefern das Förderband hier das Klima zukünftig beeinflussen wird, wie stark die Abschwächung ist und was Ursache und was Wirkung ist. So könnte man argumentieren, dass das Schmelzwasser aus Grönland im Nordatlantik indirekt (Süßwassereintrag, etc.) den Golfstrom bzw. den verlängerten Arm dessen im Nordatlantik bremst. Über kaltem Meerwasser könnte dann tendenziell eher Hochdruck in der Atmosphäre resultieren, aber was bedeutet das für uns? Kalte Nordströmung oder werden die atlantischen Tiefdruckgebiete dann weiter südlich in einem Bogen zu uns geführt? Wissen wir alles noch nicht genau. Fakt ist aber, dass Klimamodelle in der Nordatlantikregion kaum mit einer Erwärmung rechnen und das lässt sich auch jetzt bereits gut nachweisen. Die Sache mit dem [definition=53,0]Jetstream[/definition] ist da etwas einfacher und hat wohl insgesamt auch die höhere Bedeutung. Wechselwirkungen mit den Ozeanen sollten aber grundsätzlich auch nicht ausgeblendet werden. Zuletzt wurden sowohl (winterliche) Stürme, als auch sommerliche Hitzewellen über Europa mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht: https://scilogs.spektrum.de/klimalounge/st…olfstromsystem/
Das hat es und doch gab es noch nie in der Erdgeschichte einen so enormen Ausstoß an Treibhausgasen innerhalb so kurzer Zeit. Hier geht man in der Forschung wohl davon aus, dass knapp über die Hälfte bis etwa 75% der aktuellen Erwärmung auf menschlichen Einfluss zurückgehen. Was man aber wohl nie so genau weiß, ist, welche Kettenreaktionen wir eigentlich in Gang setzen, wenn wir in ein so empfindliches System eingreifen, welches über lange Zeit sehr stabil war. Und da verstärkt dann ein Trend erst einen Trend...
Ja, so sehe ich das auch. Manchmal schadet ein wenig Pathos auch nicht, denn nur so erreicht und bewegt man die Massen. Man darf es nur nicht übertreiben und ins Unseriöse abdriften, denn das kann ins Gegenteil führen und "Skeptiker" des Klimawandels hängen sich daran dann ganz gern mal auf.