21.10.2014 I Grabsleben (Drei Gleichen) GTH (i.V.m. Sturm "Ex-Gonzalo")

  • Zitat

    Schäden durch Sturmböen über Thüringen


    Sturmböen haben über West- und Mittelthüringen am Abend Schäden angerichtet. Die Erfurter Feuerwehr verzeichnete zahlreiche Einsätze wegen umgestürzter Bäume und heruntergefallener Dachziegel. Ein Sprecher sagte MDR THÜRINGEN, voraussichtlich dauere es bis zum Morgen, bis alles aufgeräumt sei. Auch in Eisenach warf der Wind einzelne Bäume um. In Grabsleben im Kreis Gotha deckte die Bö das Dach einer Reithalle ab. Auch im übrigen Kreis Gotha gab es mehrere Feuerwehr-Einsätze. In Liebstedt im Weimarer Land fuhr ein Auto in einen umgestürzten Baum. Es entstand nur Blechschaden.
    Quelle:MDR


    Presse Thüringer Allgemeine vom 22.10.2014 (Auszug von: Schäden in Thüringen: Auch am Mittwoch sind Sturmböen möglich)

    Zitat

    ...
    Dach der Reithalle in Grabsleben abgedeckt


    In Grabsleben (Landkreis Gotha) wurden große Teile des Daches einer Reithalle im Reisportzentrum Grabsleben vermutlich durch eine Windhose abgedeckt und etwa 100 Meter weit gegen einen Carport eines Wohnhauses geschleudert wurden. Auch das Wohnhaus wurde dabei beschädigt, sowie ein PKW. Mögliche weitere Schäden können erst bei Tageslicht begutachtet werden.


    Übersicht Pressemitteilungen:


    Wetter: Herbststurm wütet in Thüringen (MDR)
    Windhose deckt Dach von Reithalle im Kreis Gotha ab (MDR)
    Schäden in Thüringen: Auch am Mittwoch sind Sturmböen möglich
    Sturm, Schnee und Starkregen halten Rettungskräfte auf Trab


    [line][/line]


    Vor-Ort-Analyse am 23.10.2014



    Quelle: Google


    grüne Bereiche: keine Schäden festgestellt (betrifft auch die übrigen Straßenzüge im Ort)
    rot markiert + Nummern: Schäden (siehe Text)
    gelb: Flugrichtung der Trümmer



    Die Besitzerin berichtete mir von ca. 2 Minuten zw. 20:20 Uhr und 20:30 Uhr, wo der Wind kräftig auffrischte (das dürfte der Kaltfrontdurchgang gewesen sein). Das Ereignis selbst war eine Sache von ca. 10 Sekunden, anschließend lies der Wind rasch nach. Wietere Besonderheiten fielen ihr nicht auf. Der Schaden ist insgesamt eng begrenzt auf das Anwesen des Reitsportzentrums. Weder Mensch noch Tier wurden verletzt. Im benachbarten Grundstücken konnte ich noch Baumschäden sichten, während im übrigen Ort nur bei einem Haus Dachziegel herunterfielen. Im Großteil des Ortes gab es keine Schäden. 2 Anwohner berichteten mir auch nur vom Schaden auf dem Reiterhof.


    [1] Erste Schäden


    400 Meter im Umfeld des Geländes nach NW/W/SW waren keine Schäden in der Vegetation (nicht mal ein kleiner Ast) oder an direkt davor liegenden Gebäuden zu erkennen. Die ersten Schäden auf dem Gelände traten unmittelbar wenige Meter vor dem beschädigtem Hallengebäude auf. Hier wurden aus dem schwarz zu sehenden Bereich der lose Bodenbelag ca. 20 - 50cm herausgeweht (West-Ost).


    [2] Beschädigte Halle


    Bemerkung: Die Bilder auf dem Anwesen wurden mit Einverständnis der Besitzer gemacht und dürfen hier zur Auswertung des Ereignisses gezeigt werden.

    Blick von Südwest auf die 3 Hallen:


    Zoom auf die beschädigte Halle:


    Auf dem Gelände:



    In der beschädigten Halle:




    [3] Schleifspuren und Holzbalken im Dach


    Blick von Südost auf das Dach der Halle (Zoom):


    Auf dem Zoom sind schön die "Spuren" zu sehen, die durch die wegfliegenden Trümmer entstanden sind. Teilweise wurde entlang dieser Schleifspuren auch das Dach aufgerissen (siehe unten). An 2 Stellen stecken Teile der Dachverkleidung (Holzbalken) im Dach und zeigen in unterschiedliche Richtungen:




    Die "Schleifspuren" in Ausrichtung WNW-SO von unten aus gesehen:


    Die abgedeckten Teile der Dachkonstruktionen waren teilweise noch zusammen mit den Holzbalken im Verbund, teilweise abgtrennt:







    [4] Wohnhaus und Caroport


    Das Wohnhaus der Familie hat keine größeren Schäden davongetragen. Am Carport zeigten sich noch deutliche Schleifspuren. Markant ist, dass die umherfliegenden Dachteilte ausgehend von der Halle ca. 50 Meter bis zum Carport flogen und sich dort verfingen bzw. herumwickelten laut der Besitzerin. Ein Auto der Besitzer stand noch vor dem Carport auf der Freifläche und wurde nicht beschädigt.


    Zur Verdeutlichung folgendes Panorama:


    Die Entfernung vom Schaden bis zum Wohnhaus beträgt ca. 40-50 Meter. Die Trümmer flogen etwa über die Hälfte der Halle in Richtung Südost gen Wohnhaus und Carport. Auf der rechts zu sehenden Freifläche stand ein Auto des Besitzers, das nicht beschädigt wurde, während der Carport von mehreren Teilen des Wellblechdaches getroffen wurde. Der vordere Bereich wurde am Mittwoch von Holzbalken bzw -brettern und jeder Menge Einzelteilte bereinigt.


    Auch diese Holzdielen wehten durch die Luft:


    Die Teile des Daches liegen noch am ursprünglichen Ort. Der Radlader hat diese nicht zusammengeschoben (siehe auch: http://www.mdr.de/thueringen/m…ad1f7a1.jpg?version=28637)




    [5] Straße vor dem Grundstück


    Laut der Besitzerin musste die Straße vor dem Grundstück erst von Trümmern beräumt werden, ehe die Feuerwehr auf dem Gelände tätig werde konnte.



    [6] Beschädigte Bäume



    Auf dem Grundstück gegenüber sah ich diese 2 abgeknickten Bäume. Von der Ferne sah dies noch recht neu aus. Es ist jedoch nicht endgültig bestätigt, dass diese am 21. umknickten. Den Besitzer traf ich leider nicht an um nachzufragen.



    [7] Ein Stück Dach


    Gerade beim fraglichsten Teil habe ich das Bild vergessen :panik . An dieser Stelle lag ein kleines Stück von einem Wellblechdach (mehr kantig als mit Wellen), das auf dem Grundstück laut Besitzerin gelandet war. Das Teil ist definitiv nicht von den Gebäuden auf dem Grundstück, aber auch nicht von umliegenden Gebäuden. Die Besitzerin meinte, es müsse mit dem Wind herangeweht worden sein.



    [8] Kleiner Schaden an der mittleren Halle


    An der mittleren Halle gab es an der Dachrinne eine kleinen Schaden. Die Besitzerin konnte jedoch nicht sicher sagen, ob dieser Schaden erst im Rahmen dieses Ereignisses oder durch andere Ursachen entstanden ist.


    Ich ging anschließend noch den gesamten Ort ab und konnte keine weiteren Schäden feststellen. Ich fuhr auch noch einmal die Landstraßen um die Ortschaft herum ab und hielt nach Vegetationsschäden Ausschau, Fehlanzeige.


    Meteorologische Betrachtung


    Ausgangspunkt war der Hurrikan "Gonzalo", der als außertropisches Tief in den mitteleuropäischen Raum vordrang. "Ex-Gonzalo" zog vom Atlantik kommend über Irland/Nördl. UK Richtung Südnorwegen/Skagerrak. Mit der Kaltfront von "Ex-Gonzalo" griff der atlantische Trog unter Verstärkung auf den Kontinent über.


    Neben positiver, recht kräftiger Vorticity:


    ..lag ebenso ein starker Jet günstig:


    Hinzu kam eine teils stark geschertes Profil mit bis zu 20 m/s 0-1 km:


    ...und ebenso hohen Werten bei 0-6 km bulk shear:


    Vor der Kaltfront lagerte (nach Süden mehr) eine noch milde und leicht labile Luftmasse:


    Mit der Kaltfront erfolgte ein Windsprung von SW auf W, teils SSW-WNW (schön in der Radaranimation zu sehen):


    Typische Drucktendenz bei dieser Kaltfront (davor stark fallend, dahinter rasch ansteigend):


    Das überlappen der Parameter auf synoptischer Ebene, Scherung und geringer Labilität bereiteten das Setup für einen markanten Kaltfrontdurchgang, in der einerseits die Oberwinde in eingelagerten konvektiven Zellen heruntergemischt werden können, allerdings auch die Aufwinde eingelagerter Zellen in Rotation versetzt werden können.


    Im potentiellen Ereigniszeitraum zeigt das gewöhnliche Radar keine Besonderheiten. Der im folgenden Bild eingekreiste kleine Punkt passt grob in die geographische Lage des Ortes mit dem winzig kleinen starken Niederschlagsecho darüber. Das ist aber mehr als eine reine Spekulation, ob hiervon das initiierende Ereignis ausging. Ferner ist daran nicht zu eruieren, ob heruntergemischte Fallböe oder Tornado:


    Radaranimation der durchschwenkenden Kaltfront:

    Nachdem sie über dem Westen Thüringens erst anhand der Niederschlagsechos mäßig ausfiel, erfuhr sie wieder eine gewisse Verstärkung über der westlichen Mitte und ihrem Durchgang nach Osten.



    Persönliches Fazit


    Schon die Ausgangssituation hält die Möglichkeiten von Böen, die durch den vertikalen Impulstransport heruntergemischt werden, aber auch von Tornados offen. Der Schaden vor Ort ist punktell aufgetreten, dabei jedoch recht intensiv (teilabgedecktes Dach, dessen Trümmerteile bis zu 60m verfrachtet wurden). Auffallend ist, dass sich in der näheren Umgebung keine weiteren Schäden fanden. Eine genaue Einstufung m.E. schwierig. Mal schauen, was die Experten noch dazu meinen.


    Markus

    1. Vorsitzender Thüringer Storm Chaser e.V.
    ESSL Voluntary Observer Person (Qualitätslevel QC1) (European Severe Storms Laboratory)
    Weitere Mitgliedschaften: Member of AMS Weatherband · Arbeitskreis Meteore e.V.

  • Halo zusammen, hallo Markus,


    vielen Dank für die sehr gute Analyse! Dazu auch meine kurze Einschätzung:


    Die deutlichen Verfrachtungen und die Einschläge sind für mich auf jeden Fall Tornadoindizien. Ein kleinräumiger Schaden kann allerdings auch durch einen Microburst hervorgerufen werden. Wenn es sich um eine eng begrenzte Schneise handeln würde, wäre die Sache klarer. Natürlich kann es auch ein kurzlebiger Tornado gewesen sein. Alles ist möglich und ich würde daher vorerst beim Verdacht bleiben, bis weitere Fakten vorliegen.


    Grüße, Thomas Sävert