Glück Auf!
Mein erster richtiger Bericht, von meinem aller ersten richtigen Chasing, beinhaltet gleich zwei beeindruckende und fotogene Superzellen, sowie ein blitzintensives linienartiges MCS am späten Abend. So muss das sein!
Nachdem ich am Morgen aufgrund der Prognosen von verschiedenen Modellen und dem Nowcast des Systems aus Frankreich mein Zielgebiet auf die Leipziger Ecke begrenzt hatte, kam es dann doch anders. Während des Durchzuges der ersten Superzelle im Süden Thüringens startete ich gegen 17 Uhr in Richtung Westen. Eher loszufahren war mir leider nicht möglich und für die Zellen in der Leipziger Umgebung war es von meinem Standort vom Erzgebirge aus schon zu spät.
Im Erzgebirge auf die Zelle zu warten, was im Nachhinein gar nicht so verkehrt gewesen wäre, kam für mich nicht in Frage. Zum einen wusste ich nicht wie weit die Zelle nach rechts ausscheren würde und ob sie am Ende nicht doch schon im Vogtland im Gebirge hängen bleibt. Auch machte ich mir Sorgen um die Langlebigkeit der Zelle. Das lag an der trockenen Grundschicht und dem Misstrauen aus der Erfahrung das Zellen aus dem Westen hier in der Region gerne mal einem direkt vor der Nase kaputt gehen. Tatenlos zu zu sehen war also keine Option.
Bei der Anfahrt nach Reichenbach im Vogtland erschien die Basis mit einer ausgeprägten wallcloud schon am Horizont. Für Fotos war sie aber noch zu weit weg. Dies sollte sich allerdings ändern, als ich etwas nach Süden verlagerte und an meinem ersten Standort bei Schönfels nahe der A72 an kam.


Radar zum Zeitpunkt der Fotos
Die Superzelle war zu diesem Zeitpunkt sehr hochbasig und die wallcloud war verschwunden. Am Himmel über mir zeigten sich ein paar Mammatuswolken. Dank der geringen Feuchtigkeit waren die Strukturen sehr gut sichbar und der dichte Hagelkern scharf abgegrenzt. Ich musste noch ein Stück nach Süden verlagern und fuhr in Richtung Kirchberg. Die schnelle Zuggeschwindigkeit der Zelle überraschte mich. Ich befand mich schon unter der meso, als ich plötzlich im Ort vor einer Vollsperrung stand. Alleine im Auto unter Zeitdruck und in unbekannter Gegend bliebt mir nichts anderes übrig, als auf Google maps zu vertrauen. Eine vernünftige Beschilderung war nicht vorhanden. Durch zahlreiche Ampeln und die Navigation immer wieder über die selbe, mit Pollern abgesperrte Straße verlor ich eine gute halbe Stunde im Ort.
Die ersten Hagelkörner schlugen vor mir auf der Straße ein, als ich es gerade noch rechtzeitig aus dem Regen raus schaffte und auf dem Weg nach Schneeberg im Erzgebirge war. Hier wollte ich eigentlich nur kurz anhalten, um mir einen Überblick über Wetterradar und Navigation zu verschaffen und fuhr rechts spontan auf eine kleine Nebenstraße. Diese führte mich jedoch zu meiner Überraschung zu einem am Berg gelegenen Parkplatz mit akzeptabler Aussicht über die Stadt. Man kann auch mal Glück haben. Mit der vorbei ziehenden meso über der Stadt, der Erfahrung eben im Ort und herausfordernden (um nicht "schlechten" zu sagen) Straßenoptionen mitten durchs Gebirge bezweifelte ich es noch einmal davor zu kommen.

Für die Stadt Schneeberg gab es nun keinen Schnee, sondern eine beeindruckend gut strukturierte tief hängende und stark rotierende wallcloud.
Radar zum Zeitpunkt

Neben der freistehenden, tiefen Absenkung unter der wallcloud waren die explosiven schraubenartigen Aufwindtürme, vor allem im RFD, über dem LFC der LP Superzelle beeindruckend.
Auch finde ich die Kulisse über der Stadt als Fotomotiv trotz der etwas eingeschränkten Sicht sehr ansprechend.
Die folgenden Aufnahmen müssen etwa zum Zeitpunkt entstanden sein, als Felix L. bei Thum vor der Zelle stand.



Vor allem bei näherer Betrachtung der wallcloud kann ich zu diesem Zeitpunkt einen Funnel nicht ausschließen. Bei der Betrachtung der Fotos von mir und anderen bestätigt sich dieser Verdacht jedoch nicht. Beeindruckend finde ich trotzdem den enorm freistehenden geneigten Aufwind und die mit bloßem Auge selbst aus der Entfernung sichtbare Rotation.

Ich bin dem Gewitter noch ein wenig hinterher gefahren. Bei Annaberg hab ich die Rückseite der abziehenden Zelle noch einmal bestaunt.

Im Zeitraffervideo (YouTube Link) erscheinen neben der sich in den Himmel schraubenden Mesozyklone auch noch cb pileus und cb velum als Begleitwolken.
Nun ging es zunächst nach Stollberg zurück. Am Himmel verdunkelte bereits der Eisschirm neuer Zellen aus Thüringen die Umgebung. Nach einer kurzen Tankpause ging es noch ein Stück nach Nordosten. Eine weitere sehr starke Superzelle scherte nach Süden in Richtung Chemnitz aus. Es folgt für mich das eigentliche Highlight des Abends.

Stark eingedrehte Superzelle auf dem Radar
Vor mir entfesselte sich eine Show, wie man sie sonst nur von Fotos aus den USA kennt. Wie wild rotierte diese Superzelle vor meinen Augen vom Standort bei Stelzendorf südlich der A72 aus gesehen. Von hier aus hatte ich nicht nur Blick auf die meso, sondern auch auf die Blitze. Und die gab es reichlich, eine im Sekundentakt blitzende Zelle wie diese hab ich so vorher noch nicht gesehen. Beeindruckend auch die Shelfcloud des trockenen RFDs unter der meso. Dank der angefeuchteten Luft der Zelle davor kratzt die gut sichtbare Struktur fast am Boden. Besonders angetan haben es mir auch die ausgeprägten inflow Bänder zur wallcloud hin. Kurz gesagt: der komplette Wahnsinn!

Komplett sprachlos vor erstaunen mache ich auf dem Feld meine Aufnahmen. Im Video der Blitze und der Rotation wird die enorm hohe Blitzfrequenz deutlich. Ich beobachte weiter wie sich die Superzelle vor mir eindreht.



Die wallcloud befindet sich mit einer zeitweise sichtbaren Absenkung immer noch gefährlich nah am Boden.


Als mich der trockene RFD der Superzelle erreichte verlagerte ich nach Süden. Vom Hartauer Berg aus gesehen liegt der Fokus nun bei Blitzen über der Stadt Chemnitz.

Ein linienartiges MCS zog als Abschluss der Lage quer durch Sachsen (Radar). Blitze beleuchten die Rollcloud des Systems.


Beim Eintreffen des Systems gab es kurzzeitig noch ein mal Sturm, aber keine größeren Schäden.
Gegen null Uhr war ich dann, erschöpft und von den Eindrücken überfordert, wieder zu Hause.
Bei meinem aller ersten Chasing war ich also viele Stunden unterwegs und bei der Aufregung hatte ich das Essen und trinken ein wenig hinten angestellt.
Ich war entsprechend ausgelaugt. Das Positionieren und vor allem das Chasen alleine, mit Standortwahl, Radar checken, der Verkehr usw., war ein Herausforderung. Ich denke mit ein wenig Übung und Erfahrung kann Ich hier noch bisschen nachbessern. Trotzdem freue ich mich über das gelungene Chasing.
Und so geht das ereignisreiche erste Chasing für mich zu Ende.
Auch bei mir wird dieser Tag immer in Erinnerung bleiben.
Viele Grüße
Niklas