30.06.2012 | Westlich von Leipzig bis Querfurter Platte | Superzelle und MCS

  • Hallo Gewitterfreunde,


    an dieser Stelle möchte ich über eine Wetterlage des vergangenen Jahres berichten, die es in sich hatte. An diesem Tag passten über weiten Teilen Süd-, Ost-, und Mitteldeutschlands die Parameter für schwere Unwetter, die das Konvektionsvorhersageteam von Estofex sogar veranlasste, ein Level 3 auszugeben. Konkret bedeutete das eine hohe Wahrscheinlichkeit für Superzellen im Süden und Osten, sowie eine allmähliche Verclusterung von Multi- und Superzellen zu einem MCS / MCC irgendwo über der Mitte.


    Und tatsächlich lief der Tag auch so ab, wie man es von einer Loaded-Gun-Situation erwarten würde. Erste Superzellen bildeten sich über Baden-Württemberg, die mit Groß-/Riesenhagel einhergingen. Dabei kam es mehrfach zu sog. "Split Storms", d.h. die Superzelle spaltete sich in einen Left- und einen Rightmover. Auch über Thüringen traten gefährliche Entwicklungen auf - Markus berichtete. Zum Abend, als sich die Hebung verstärkte, wuchsen immer mehr Multi- und Superzellen über dem Südwesten Deutschlands in die Höhe und es begann sich ein gigantisches, mesoskaliges System mit einer beeindruckenden Anzahl an Blitzen mit Kurs auf Thüringen zu formieren. Zur gleichen Zeit etwa begann sich auch über Leipzig der Himmel zu verändern. Während es den ganzen Tag über ruhig blieb, wurde es zum Sonnenuntergang am späten Abend immer schwüler und es schossen rasend schnell Quellungen in die Höhe. Der erfahrene Gewitterbeobachter weiß: Bei diesen CAPE-Werten, gepaart mit starker Scherung, können kleine Cumuli innerhalb weniger Minuten zu regelrechten Monstern werden.


    Somit war ich bei diesem Bild, das ich noch aus dem heimischen Fenster schoss, beinahe schon wieder zu spät dran:



    Allerdings zerfielen die meisten Cumuli aufgrund der hereinziehenden Mammati-Eisschirme aus Thüringen wieder:



    (Zwenkauer See, Richtung Nord)


    Nach nicht allzu langer Wartezeit an meinem Aussichtspunkt, unweit von Leipzig, setzte ich mich mit Markus in Verbindung, der jedoch bereits den Weg nach Süden eingeschlagen hatte. Ich beobachtete, wie im Westen eine interessante Zelle heranzog, die mich aber bei "normaler" Zugbahn nicht erwischen sollte. Das Blitzen und Donnern in der dunklen Wand steigerte sich zu einem Dauerdröhnen. Allmählich bildeten sich Strukturen heraus, die mir bekannt vorkamen. So etwas Ähnliches hatte ich bereits wenige Tage zuvor, bei der südlich von Leipzig durchziehenden Superzelle gesehen:



    Ein Aufwindteller hatte sich gebildet. Da es bereits dunkelte, bot sich nur noch die Langzeitbelichtung an, wodurch die Aufnahmen leider etwas verschwommen sind. Dafür konnte ich aber nun die herrlichen Blitze von der niederschlagsfreien Südseite aus fotografieren. Immer wieder zuckte es in dem Gebilde.





    Neben dem charakteristischen Aufwindteller weist auch das Wolkenband, das von links oben ins Bild, direkt zur Zelle gerichtet ist, auf den Superzellencharakter des Gebildes hin.
    Teilweise zogen sich äußerst anmutige Crawler durch den Amboss, der nach Osten hin verwehte:



    Die folgenden zwei Bilder, die den Teller noch einmal deutlich zeigen, sind leider etwas unscharf geworden:




    Wie man an der unterschiedlichen Färbung der Wolkenteile bereits erahnen kann, löste sich der Teller zunehmend ab und auf. Auch die Basis wurde nach einiger Zeit fransig, der Superzellencharakter ging verloren. Offensichtlich fehlte der Nachschub an feuchtwarmer Luft über Leipzig.


    Mit der weiter nach Nordosten gezogenen Zelle begab ich mich nun an die gegenüberliegende Seite, von wo ich direkt am See bessere Beobachtungsbedingungen hatte. Bevor es zur Abschwächung und Auflösung des südlichen Gebildes kam (nördlich hatten sich laut Radar weitere Entwicklungen vollzogen), konnte ich noch einige ansehnliche Erdblitze und Crawler in den Wolken fotografisch festhalten:






    Im letzten Bild sieht man noch einmal ganz deutlich im linken Bereich, wie der Nachschub der Zelle fehlte:



    Anschließend fuhr ich noch ein wenig die A38 in Richtung Westen, wo allmählich der Hauptteil des MCS durchzog. Ganz so intensiv, wie bei den anderen Thüringer Chasern an dem Tag, war es zwar nicht, dennoch erlebte auch ich einige stürmische Böen, sowie Starkregen. Beeindruckend war jedoch v.a. die Blitzrate, v.a. nach Norden zu, was wahrscheinlich den Teil des Komplexes bildete, der Marco in Sachsen-Anhalt dann überquerte.


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    Über Thüringen bildete sich anschließend ein Kaltluftpool aus. Während die Gewitter sich ringsum weiter nach Norden, Osten und Süden ausbreiteten, kam es hier schließlich zu Absinken. Die Hebung konnte sich ausschließlich auf die Ränder konzentrieren, in der noch die Warmluft lag. Auf der Rückfahrt konnte ich so z.B. das blitzintensive Dresdner Gewitter jener Nacht zumindest noch erahnen.


    Bis zum nächsten Bericht...


    Der Chris

    - wetterinteressiert und unwetterbegeistert seit Beginn der 2000er Jahre
    - TSC-Mitglied seit 2007
    - aktiver Chaser seit 2010

    - als Spotter "zur Ruhe gesetzt" seit 2018

  • Der Abend hat sich doch mehr als gelohnt, Chris! Eine Superzelle mit Blitzen an einem See, toll!

    1. Vorsitzender Thüringer Storm Chaser e.V.
    ESSL Voluntary Observer Person (Qualitätslevel QC1) (European Severe Storms Laboratory)
    Weitere Mitgliedschaften: Member of AMS Weatherband · Arbeitskreis Meteore e.V.