Nachdem 2018 wohl als das "gewitterärmste" Jahr für viele Teile Deutschlands in die Geschichte eingehen wird, haben wir es 2019 glücklicherweise wieder mit mehr Dynamik in der Großwetterlage zu tun. Der Hochsommer bleibt natürlich abzuwarten, dennoch leistet 2019 bis jetzt schon ganz gute Arbeit das letzte Jahr zu kompensieren...
Über die letzten Wochen gab es nun mehrfach starke Gewitter, teils mit wirklich guten Rahmenbedingungen, die Struktur, Starkregen, teilweise (großen) Hagel und in einigen Fällen auch wirklich ansehnliche Blitzshows mit sich brachten.
Quasi seit Mitte 2018 haben Markus und ich versucht mal wieder ein ordentliches Setup für ein gemeinsames Chasing zu finden. Neben unpassenden / kleinen Gewitterlagen oder aus Zeitgründen fiel jedoch eine Option nach der anderen erstmal ins Wasser. Anfang 2019 stieg damit langsam die Bereitschaft auch längere Strecken zu fahren, falls es lokal wirklich zu mager ist.
Am 20.06. sollte jedoch tatsächlich alles mal zusammenpassen: viel Zeit, eine gute Ausgangslage für Gewitter und neue Technik, die schon fast darum flehte, endlich einen Grund zum Einsatz zu haben.
Wir starteten ab dem frühen Nachmittag (ca. 15 Uhr) von Arnstadt aus, geplantes Ziel war vorerst der Nordwesten Thüringens. Hier simulierten einige Modelle recht einheitlich eine Zelle die sich im Bereich Südharz bilden und von dort über einige Zeit beständig Richtung Ost-Nordost bewegen sollte. https://kachelmannwetter.com/d…t-max/20190620-1600z.html
Es quellte bereits recht gut und die Auslöse im Vorlauf der Kaltfront über Thüringen war bereits im Gange. Auf dem Weg nach Mühlhausen unterbrachen wir unsere Fahrt für einige Minuten, da eine nahe Gewitterzelle auf sich aufmerksam machte. "Da dreht sich doch schon was abseits des Niederschlags?" "Nein... oder?" Doch!" -> Also hin, und in der Tat, direkt das erste kleine Gewitter das wir betrachteten, hatte eine kleine [definition=8,3]Basis[/definition] südlich des Niederschlagsgebiets. An dieser erkannte man auch bereits leichte Rotation.
Aber so schnell sich das Ganze gebildet hatte, verschwand es dann auch wieder, anscheinend war noch nicht genug Energie für eine vollständige Entwicklung vorhanden.
Es ging erstmal weiter nach Mühlhausen, dort angekommen kurz einen Imbiss und dann... abwarten. Wir verfolgten die Entwicklung am Himmel, sowie alle paar Minuten auf dem Radar und verglichen Modelle mit Radarbildern. Nach gut einer halben Stunde beschlossen wir vorerst zumindest eine bessere Position anzufahren, der Ausblick ins Industriegebiet war nicht allzu aufschlussreich...
Es ging etwas nach Norden, quasi auf halber Strecke zwischen Mühlhausen und Dachrieden hatten wir dann eine gute Aussicht auf das Umland. Vor uns zog dabei das erste größere Gewitter auf, wir hatten die perfekte Position um das Treiben im Himmel genau zu verfolgen. Damit begann dann Phase 2 des "allgemeinen Abwartens", es wollte einfach noch nicht richtig, also verweilten wir nun erstmal an der Stelle.
Es blieb zwar nicht komplett ohne interessante Momente, um uns herum stiegen immer wieder Cumulustürme in die Höhe, diese brachten aber nur selten mehr als einen kurzen Schauer hervor. Ein paar einzelne Pileus konnte man ausmachen, südlich von uns über Mühlhausen versuchte sich kurz eine neu entstandene Zelle und verhüllte die Stadt für einen Moment im gut abgegrenzten Niederschlag. Abgesehen davon war nur der Mohn am Fahrbahnrand eines der interessanteren Motive...
Wiederholt kamen andere Chasings zum Gespräch, wie es etwa am 18.8. oder 4.4. war, das wäre mal wieder schön. An anderen Tagen sagen zu können "Weißt du noch am 20.6., das war der Wahnsinn.", schien aktuell in weiter Ferne.
Gegen 19 Uhr hatten wir eigentlich weiterhin nichts von wirklicher Bedeutung gesehen, langsam intensivierte sich jedoch die Gewitterzelle die vor der aus Hessen kommenden Linie lag. Das Ganze wurde zusammen mit einigen weiteren Gewittern im umliegenden Bereich zu einem speziellen, wenn auch nur bedingt intensiven Schauspiel.
Dazu bildete unsere Zelle auf mittlerer Höhe auch diese formschöne, viereckig wirkende Wolke aus.
Direkt vor uns war die langsam ziehende Zelle plötzlich doch dazu bereit ein paar Erdblitze abzugeben, südwestlich dahinter konnte man bereits die [definition=17,0]Böenwalze[/definition] der Gewitterlinie und weitere Blitze erkennen. Etwas später rückte die Linie aus Hessen dann endgültig an und sorgte für etwas Struktur und ein paar weitere Blitze. Tracking: https://kachelmannwetter.com/d…darhd/20190620-1720z.html
Hinter uns versuchte sich derweil ein recht frisches Gewitter zu organisieren. Der vom Niederschlag separierte [definition=7,1]Aufwindbereich[/definition] ließ sich, inklusive leichter Rotation, sehr gut einsehen.
Obwohl eigentlich nicht viel passierte (bzgl Struktur / Blitzen oder möglicher Gefahren, die Dynamik an sich war mehr als ausreichend), gab es viele Bereiche am Himmel die zu dieser Zeit nett anzuschauen waren. Dazu zählte auch ein kleiner whales mouth mit undulatus Strukturen, der sich nach dem Auflösen der [definition=17,0]Böenwalze[/definition] bildete. Währenddessen wir an unserem Platz standen, stoppten hin und wieder ein paar Autofahrer um kurz ein Bild zu machen oder das Geschehen zu Betrachten. (Frei nach dem Motto: "Wenn hier schon 2 Leute mit aufgebauten Kameras stehen, muss es ja sehenswert sein."
Beim Blick nach "hinten" ins Unstruttal / Kaisershagen, die rotierende [definition=8,3]Basis[/definition]:
Radarbild dazu: https://kachelmannwetter.com/d…ingen/20190620-1745z.html
Wir machten uns an der Stelle mit den Bildern der Strukturen am Himmel sowie den wenigen Blitzen nach über 2 Stunden wieder auf den Weg. Die Zelle mit rotierender [definition=8,3]Basis[/definition] wollte verfolgt werden. Wir setzen uns darauf noch einmal fast genau unter den Aufwindteller, mussten jedoch auch hier mehr oder weniger schmerzhaft dabei zuschauen, wie keine weitere Entwicklung stattfand und auch dieses Gewitter nachließ und langsam zusammenfiel.
Froh darüber zumindest einen interessanten, wenn auch eher speziellen, Wetterablauf verfolgt zu haben, machten wir uns gegen 20:30 Uhr auf den Rückweg. Die langsam untergehende Sonne spielte dabei sporadisch mit kleineren Wolken oder strahlte die Kanten der Eisschirme an. Auch hier wurden wieder Erinnerungen an einen sehr ähnlichen Ablauf vom 04.04.18 wach. Die sich senkende Sonne sorgte damals für eine hervorragende Aussicht auf die Mammatuswolken am Ende einer abgezogenen Gewitterlinie.
Mit den Gedanken weiter im Hinterkopf verfolgten wir die Entwicklung am Himmel genau. Währenddessen ging es hinter LKW´s über´s Land zurück Richtung Erfurt.
Ein Stück hinter Bad Langensalza, kurz nach Dachwig, kam dann der Moment der den gesamten Tag (wie erinnerten uns mehrfach daran ihn nicht als vergeben zu bezeichnen) zu "retten". Anfangs konnten wir es nicht ganz glauben, ein zusammenfallendes Gewitter sorgte im Abendlicht für einen der besten Momente seit langem. Die Position am Feldweg hätte nicht besser sein können, am Hügel dahinter war noch ein kleines Stück Regenbogen auszumachen, das sich jetzt genau unterhalb der riesigen Wolke nach oben streckte. Die langgezogenen Schatten einiger Bäume sorgten für ein Muster auf den Feldern, im Hintergrund weiterhin kleine Cumulus die ebenfalls noch angestrahlt wurden. Insgesamt ein wirklich atemberaubender Anblick, an dem man sich einfach nicht satt sehen konnte. Damit auch hier jeder etwas davon hat mal einen Auszug von unzähligen Bildern:
Fazit:
Die Ausgangslage war von Anfang an nicht die aller Beste, dafür war grundsätzlich (unbewusst) schon zu viel Energie verloren gegangen. Die einheitlich in den Modellen errechnete Zelle am Südharz war definitiv vorhanden, wenn auch nicht so stark ausgeprägt wie anfangs erwartet. Die simulierte Radarreflektivität ist durchaus hin und wieder ein Faktor der täuschen kann. Zwar ist es möglich das der starke Niederschlag dem Modell weitestgehend entspricht, das garantiert jedoch kein insgesamt starkes Gewitter. Natürlich haben wir bei der Planung alle Faktoren, unter anderem [definition=95,0]Scherung[/definition], Energie und Zugrichtung, mit in Betracht gezogen, ist man aber einmal unterwegs, muss man mit den vorhandenen Ressourcen irgendwie arbeiten.
Wir entdeckten gestern viele Gewitter die mehrfach am Versuch sich zu organisieren scheiterten. Die Ausgangslage wäre in der Theorie mit besserer Luft und etwas mehr Unterstützung in der Höhe, sicher dazu in der Lage gewesen, langanhaltende, gut organisierte Gewitter zu produzieren.
Ein wichtiger Faktor ist wie so häufig auch einfach die Geduld, besonders dann, sobald man einmal am Standort ist. Die Anzeichen für Gewitter waren gut, an dem Punkt muss man es dann (vor allem wenn die Lage sehr pulsierend ist) mehr oder weniger einfach aussitzen. An einem anderen Tag mit besseren Konditionen hätten wir an der Position nördlich von Mühlhausen einen der bestmöglichen Standorte in dem Gebiet gehabt. So war es zwar kein unattraktiver Anblick, aber die typischen Fotomotive aka Blitze / Böenfronten / Shelfclouds blieben eher aus. Aber auch das kann manchmal seine Vorteile haben. Das Chasing zeigte unter anderem auch Details die an einem an anderen Tagen vermutlich verloren gegangen wären.
Insgesamt eine sehr gelungene Gewitter-Jagd!
P.S. Markus hat noch einige Videos aufgenommen die die Rotation der Gewitter gut zeigen sollten. Diese Folgen sicher noch zu einem späteren Zeitpunkt.