Die Interaktion all dieser Systeme sorgt in der Numerik heute für viele
Fragezeichen bezüglich der Konvektionsschwerpunkte. In der Folge schauen wir
kurz auf die Zutaten bzw. wie die Realität aussieht, bevor wir die einzelnen
Bereiche näher diskutieren.
Feuchte:
Aktuell (06 UTC) erstreckt sich eine Schliere mit Taupunkten von mehr als 15
Grad über dem Westen und Norden von NRW bis in die Altmark, was innerhalb der
Numerik aktuell gut erfasst wird (abgesehen von GFS mit positivem Bias). Größere
Diskrepanzen ergeben sich zum Nachmittag, besonders im äußersten Norden und
Süden mit 2-3 Kelvin Variabilität. Im Mischungsverhältnis und beim PW (bzw.
totale PW, TPW) zeigt sich nachmittags und abends eine Schliere mit
Spitzenwerten im Südwesten, der Mitte und dem Nordosten. Abends und nachts nimmt
auch im Süden allgemein die Feuchte weiter zu (TPW zwischen 25-30 mm).
Labilität:
Im Luftmassen-RGB ist die abgehobene Mischungsschicht nördlich der Pyrenäen gut
zu erkennen (auch im 00Z Aufstieg von Bordeaux), wobei diese Schicht tagsüber
nordostwärts nach Süddeutschland advehiert wird und nachts den Südosten ostwärts
verlässt. Heute tagsüber tangiert diese Schicht die Feuchteschliere in der
Mitte, wo konzentriert 400-800 J/kg MLCAPE auftreten können, während sich durch
die angesprochene Feuchteadvektion im Süden die MLCAPE/MUCAPE-Werte abends den
1500 J/kg, vielleicht lokal auch den 2000 J/kg nähern. Bleibt noch eine dritte
Zone über dem äußersten Norden zu erwähnen, die im Umfeld der Kurzwelle mit
Hebung/Abkühlung 400-800 J/kg MLCAPE aufweisen sollte.
Hebung:
Hier wird es diffus, denn nach Abzug der Welle Nummer 1 liegt eine beinahe
glatte Südwestströmung über der Mitte, sodass es zu keiner richtigen Interaktion
mit der Bodenwelle kommt. Die kräftigste synoptisch-skalige Hebung sollte sich
somit auf den Norden beschränken (Umfeld der Kurzwelle). Für die Mitte wird die
diabatische Komponente zu einem entscheidenden Punkt, denn mit guter
Einstrahlung stromab und dichter Bewölkung stromauf sollte im Tagesverlauf die
Frontogenese verstärkt werden. Allerdings findet dies innerhalb der höher
aufgelösten Modelle unterschiedlich statt bzw. weist die Kaltfront im Westen
zunehmend die stärkste Frontogenese auf. Abends und nachts nimmt im Süden im
Zuge der weiteren Randtrogentwicklung die Hebung dort etwas zu.
Erwähnt werden sollte noch, dass der aktuelle ICON-Lauf bereits initialisiert
die konvektiven Niederschläge im Nordwesten zu weit nördlich ansetzt und CD2 das
besser im Griff hat
Setzen wir all das zusammen kommen wir zu folgendem Ablauf:
Im Norden (nördliches Niedersachsen, Schleswig-Holstein und
Mecklenburg-Vorpommern) nimmt im Tagesverlauf die Schauer- und Gewittertätigkeit
zügig zu. Punktprognosesoundings zur Mittagszeit zeigen modellabhängig 20-25 m/s
hochreichende Scherung und bis 15 m/s Scherung in den untersten 3 km AGL mit
einigen hundert J/kg MLCAPE. Das ist ausreichend für teils organisierte
Multizellen mit Sturmböen, Hagel und Starkregen. Letzterer wird jedoch dank der
raschen Verlagerung nicht überbordend ausfallen. Im Falle einer ausscherenden
Zelle kann bei niedrigem Kondensationsniveau auch ein Tornado nicht
ausgeschlossen werden. Abends schwächt sich die Aktivität ab, kommt in der Nacht
jedoch kaum zum Erliegen (dank der Passage von Welle 2) und könnend lokal
markant ausfallen.
Über der Mitte deutet sich im Zuge der Welle ein verstärkt anafrontale Geschehen
an, sodass die Hauptniederschläge zunächst von der labilen Luftmasse nordwärts
versetzt auftreten. Die Frage ist nun, löst es entlang der dem Niederschlag
vorgelagerten Konvergenz aus und wann, was innerhalb der Numerik mit hoher
Streubreite gezeigt wird. Was grundsätzlich zu sehen ist, ist eine beginnende
Zündung entlang der angedeuteten Warmfront über dem südlichen Niedersachsen,
Sachsen-Anhalt bis ins südliche Brandenburg. Punktvorhersagesoundings zeigen zu
dem Zeitpunkt hochreichende Scherung um 25 m/s und um 20 m/s in den untersten 3
km AGL. Zusätzlich deutet sich in den untersten 3 km verstärkte WLA an, was eine
stärkere Hodographenkümmung nach sich zieht mit hohen SRH-3km Werten. Einzelne
organisierte Multizellen oder Superzellen mit großem Hagel, schweren Sturmböen
(im Zuge linienhafter Anordnung / bogenförmigen Echos strichweise auch mehr) und
Starkregen sowie eine lokale Tornadogefahr wären das Resultat.
Die zweite Runde wäre spätnachmittags/abends und nachts im Umfeld der
schleifenden Kaltfront zu erwarten mit ähnlichen kinematischen Parametern, die
wiederum die sich abschwächenden thermodynamischen Parameter ausgleichen.
Einzelne Multizellen oder Superzellen wären das Resultat mit großem Hagel,
Sturmböen (teils schwer) und Starkregen.
Allerdings muss gesagt werden, dass dies das worst case Szenario darstellt und
im Nowcast die Entwicklung genau verfolgt werden muss (zumal wie bereits erwähnt
die Initialisierung des aktuellen Geschehens nicht in jedem Modell dem
Ist-Zustand entspricht).
Bleibt noch zuletzt der Süden zu erwähnen, wo im Nachmittagsverlauf entlang der
Alpen teils kräftige Gewitter mit Unwetterpotenzial durch Starkregen ostwärts
ziehen (dank trockener niedertrop. Schichtung können punktuell zu Beginn auch
Sturmböen oder schwere Sturmböen auftreten) und besonders dem Berchtesgadener
Land mehrstündigen Starkregen bescheren sollte. Ansonsten kommt es bei fallendem
Geopotenzial abends und nachts entlang der Orografie sowie entlang regionaler
Bodenwindkonvergenzen (z.B. angedeutet in Mittel- und Oberfranken) zur
Gewitterauslöse mit Unwetterpotenzial durch Starkregen und Hagel, aber auch
Sturmböen sind möglich. Ein Entwicklungsschwerpunkt sollte die Alb und der
Schwarzwald sein sowie Aktivität aus der Schweiz heraus.
Summa summarum also viele Bereiche mit Gewitter- und Unwetterpotenzial.
Allerdings fällt die Ausgabe einer Unwettervorabinformation bei den vorhandenen
Unsicherheiten noch schwer und wird vorerst noch ausgesetzt.
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Modellvergleich und -einschätzung
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Bis Donnerstagabend herrscht eine gute Übereinstimmung innerhalb der Numerik
bezüglich der Wetterentwicklung. Etwas größere Unterschiede gibt es im Druckfeld
bei einer 1:1 hPa-Analyse bezüglich der Kurzwellen, die wiederum über die
Ausprägung und den Beginn der Konvektion entscheiden. Diese Unterschiede wurden
jedoch im Text oben bereits geschildert.
In der Folge deutet ICON einen kräftigeren Höhentrog an, der am Freitag
zögerlich über Süddeutschland nach Osten geführt wird. Abgesehen von einer etwas
längeren Niederschlagstätigkeit im Südosten sind die Auswirkungen dieser
Diskrepanz jedoch gering.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy