Chasingbericht zum 29.07.2023
Das Setup am 29.07. war durchaus spannend und es bestand einiges an Potenzial zur Entwicklung starker Gewitterzellen. Die Vorhersage / Ausgangslage ist aus unserer Lagebesprechung heraus hier nochmal genauer dargestellt: 2023-07-29 Gewitter
Während die Entwicklung über Thüringen gewissermaßen garantiert war, ich jedoch ursprünglich nicht den Weg bis nach Sachsen-Anhalt / ins südliches Brandenburg aufnehmen wollte, entschied ich mich für die etwas wackelige Option im Süden des Thüringer Walds. Die Lage in Franken bot prinzipiell alles, was es für ein paar schöne Gewitterzellen brauchte. Energie (CAPE, um 600-800J/kg) und gescherte Windverhältnisse - wenn auch hauptsächlich Geschwindigkeitsscherung mit der Höhe. ID2 und SNow modellierten aus dem nördlichen BaWü heraus einige kräftige & organisierte Zellen die sich nach Franken herein verlagern sollten.
Mein Plan war eigentlich nur das (hoffentlich ansehnliche) Südende dieser Gewitter abzufangen und dann zurückzufahren. Wie es aber meistens so ist... einerseits kommt es leicht anders als geplant, andererseits, einmal im Chasemode, will man sich auch nicht direkt zufrieden geben wenn es noch Optionen gibt...
Ich fuhr ca. 13:30 ab Arnstadt los und zunächst Richtung Wülfershausen a.d. Saale.
https://kachelmannwetter.com/d…essen/20230729-1250z.html
Aus Hessen heraus gab es einige Entwicklungen, die aber leicht nördlicher waren als angedacht. Das war nicht ganz optimal, aber ich hatte ja noch circa eine Stunde bis zur Ankunft der kleinen Linie Zeit... allerdings auch wenig Ortskenntnis.
Sounding 12z Meiningen:
CAPE wie gewünscht genug vorhanden, Scherung in Bodennähe durch den Südwind sogar ganz nett. Die Bedingungen waren wie erwartet gut. Fehlte noch der passende Standort.
... Ist es hier gut? Nein, etwas zu viel vom Hügel im Weg.
Hier? Hm, Waldstück sehr nah und im Blick.
...oder hier? Auch zu sehr in Tallage. ...
Ich fand nach längerem Hin und her einen recht akzeptablen Blick bei Obendorf (Wer hätte gedacht das ein Ort mit dem Namen *fast* auf einem Hügel liegt? )
Gegen 15:50 - Die Linie rückte an. Dabei war eine recht nette Böenwalze und darüber leichte Andeutung einer Shelfcloud zu sehen:
Handyfoto:
Nunja... die Atmosphäre war nett, aber ausbaufähig. Bei der Lage musste doch etwas mehr gehen?!
Ich verlagerte ans absolute Südende der Gewitter nach Römhild. Blick um 16:00 von dort aus:
Kraft war dahinter, ich allerdings auch zu nah um optisch noch was rauszuholen. Keine wirkliche Chance mehr über Landstraßen und Orte davor zu kommen. Die Linie würde ich gleich verabschieden müssen. Südlich von mir waren jetzt allerdings die Zellen entstanden, mit denen ich ursprünglich gerechnet hatte. Sogar noch etwas weiter im Süden als gedacht. Im Doppler waren sie zeitweise auch mal etwas auffällig.
Mein Plan war anfangs bei Wülfershausen zu warten und dann die B279 zur Verlagerung nach Osten zu nutzen. Jetzt stand ich allerdings wortwörtlich "zwischen den Fronten".
Radar: https://kachelmannwetter.com/d…ausen/20230729-1405z.html
Nun gut, also durch und hoffen, dass diese Zellen die erhoffte Struktur bringen. Ich fuhr auf direktem Weg südlich zur B279 und dann Richtung Coburg. Wie zu erwarten war herrschte unter den Zellen kräftiger Starkregen vor. (PWAT im Sounding bei fast 30mm...). Ich versuchte da durchzukommen, es ging aber einfach nicht. Die B279 stand teils unter Wasser, besonders gefährlich waren die Stellen, an denen es seitlich vom auf die Straße strömte. Ich wollte eigentlich hier abbrechen und nach Norden über die A73 zurück, fuhr allerdings fälschlich die erste Abfahrt hinunter und erstmal bis Untersiemau (südlich von Coburg) und brauchte einige Minuten Pause. Wie sollte es weitergehen?
Radar: https://kachelmannwetter.com/d…oburg/20230729-1455z.html
Die A73 führte nach Süden eigentlich "optimal durch" die Zellen, danach wäre es kein Problem über die A70 wieder davor zu landen. Ich entschied es ein letztes mal zu versuchen, die Fahrt war erwartungsgemäß... heftig. Ich habe keine Aufnahmen davon, aber südlich von Bad Staffelstein war wohl das Maximum an Starkregen für den Tag erreicht. Man kann auf dem Radar den kleinen, schwachen Bereich etwa bei Lichtenfels sehen. Diesen erkannte man visuell gut, ebenso wie den Downburst der in diesem Moment vor mir über die Bahn fegte... Gott sei dank ohne große Schäden an der Vegetation. Fahrttechnisch ging kurzzeitig fast nichts mehr.
Radar: https://kachelmannwetter.com/d…oburg/20230729-1525z.html
Einmal hindurch - wunderbarer Sonnenschein, strahlend blauer Himmel. Es ging weiter über die A70 bis südlich von Thurnau. Blick auf eine Zelle nach Osten, gegen 18:25:
Es war, mit dem wohl getrennten Aufwind, schon zu erkennen das die Zellen prinzipiell in Richtung organisiertem Aufbau strebten. Spannend oder wirklich blitzaktiv waren diese Exemplare aber noch nicht.
Die Nächste nahte aber schon wieder heran und ich wollte gerne einen direkten Blick darauf. Allein und ohne Erfahrungswerte in dieser dauerhaft hügeligen Umgebung einen guten Standort zu finden, ist leider alles andere als simpel. Wobei gerade das aber ggf auch mal den Reiz ausmachen kann. Zumal man bei den ganzen Berg/Talfahrten nur zeitweise etwas sieht und gewissermaßen immer etwas unter Druck steht. Ich entscheid mich letztendlich noch ein Stück nach "Kleetzhöfe" zu fahren und suchte eine halbwegs passable Aussicht auf einer Anhöhe. Ein Radfahrer konnte mir bzgl des Standorts noch etwas weiterhelfen - sowie ich hoffentlich ihm mit einer Warnung zur Zugrichtung der heranziehenden Zelle.
Radar: https://kachelmannwetter.com/d…mbach/20230729-1645z.html
Blick nach Westen - 18:45 Uhr:
Siehe da... Bingo! Die Berechnung und Vermutung in Richtung Superzelle vom Anfang ging also spät und fast nicht mehr erwartet doch noch auf ...und rettete mir mental gewissermaßen Tag & Jagd.
Die nächsten Bilder entstanden zwischen 18:45 bis ca. 18:55 Uhr. Man beachte u.a. vor allem die Verstärkung des RFD:
An den Windrädern konnte ich vor Ort leider nichts ändern. Allerdings kann man im Nachhinein für die Optik ja mal etwas spielen...
Was für eine wunderschön freigestellte Superzelle...
Ich denke was man hier zum Ende zu sehen bekam, war die langsame Umwandlung der Zelle hin zu eher "regulärer" Struktur. Das tiefe Wolkenband von rechts war zuvor mehr ein Inflowband vor dem FFD und löste sich nun allmählich mit der Wallcloud auf. Die Atmosphäre war gleichermaßen genial und bedrohlich.
Viel zu befürchten hatte ich nicht unbedingt, auch wenn der ein oder andere Blitz entlang der Unterseite für etwas Spannung sorgte. Ins Schwitzen kam ich dann nur kurz, als ich auf dem Feldweg, im Auto den Schlüssel nicht mehr finden konnte... Nach ca. 2 Minuten leichter Panik, stieg ich nochmal kurz vor knapp aus und fand ihn dann doch noch in der Ecke des Sitzes...
Zelle drüber hinweg, keine Schäden, nur etwas herumgeflogenes Blattwerk. Nochmal der Blick nach Osten:
Der Aufwind war im strahlenden Sonnenscheint schön anzusehen. Wirklich zu einem Foto kam ich allerdings nicht mehr - die Ausblicke sind einfach unbekannt und begrenzt.
Ich war für meinen Teil erledigt und froh endlich mal wirklich durchatmen zu können. Ca. 6h Fahrt & Chasing bis hierhin, dabei über längere Phasen durch Starkregen und leicht überspülte Straßen, lagen hinter mir.
Überall stieg nun leichter Nebel auf und sorgte auch auf der Rückfahrt immer wieder für schöne Ausblicke im Abendlicht.
Bis zum heutigen Tag und dem damit 3. längeren Chasing muss ich sagen, das es keine simple Sache ist im unbekannten, hügeligen Gebiet zu chasen. Eine erste Platzierung ist ggf aus Erfahrung noch möglich, danach wird es aber ein meist hitziges Spiel aus Zeit, Gewitterentwicklung sowie Straßen- & Standortwahl. Letztendlich ging es hier 50/50 aus Planung und Glück am Ende doch noch halbwegs wie geplant auf.
Die dann doch weitreichende Fahrtstrecke:
Danke für´s lesen!
VG, Felix