Die von einem Gewitter ausgehenden Gefahren sind breit gefächert und werden oftmals vernachlässigt bzw. zu spät wahrgenommen. Oftmals treten die Schäden sehr schnell auf, sodass man nur wenig oder gar keine Vorbereitungszeit hat. Mit einigen grundlegeden Regeln und Informationen können Sie die Gefahren minimieren und Schäden vorbeugen.
Grundsätzliche Verhaltensregeln bei einem Gewitter
BLITZE: Über Schrittspannung, Blitzüberschläge und "Buchen sollst du suchen"
Ein Blitz gleicht als elektrische Ladung den Spannungsunterschied zwischen der Gewitterwolke und dem Erdboden aus. Er entfaltet dabei gewaltige Kräfte (mehrere 100 Mio. Volt Spannung, Stromstärken von 30.000 Ampere und ist ca. 30.000°C heiß).
Faustregel: Sekunden zwischen Blitz und Donner zählen (Bsp.: 10sek), die gezählten Sekunden mit 340 multiplizieren und man erhält die grobe Entfernung des Gewitters in Metern (10sek x 340m = 3.400 m = 3,4 km). Die Rechnung ergibt sich daraus, dass der aus dem Knall entstehende Donner Schallgeschwindigkeit (ca. 340 m/s) erreicht.
Schlägt der Blitz direkt in den menschlichen Körper ein, kann es zum Herzstillstand mit Todesfolge, Gehirnschädigungen und schweren Verbrennungen kommen, um nur einige Auswirkungen aufzuzählen. Doch warum werden auch Menschen verletzt, die nicht direkt vom Blitz getroffen wurden? Die Grafik links zeigt es: Um den Einschlagspunkt eines Blitzes befindet sich ein ca. 30 bis 40 Meter großer Radius, mit der sich der Strom am Boden ausbreitet. Menschen, die in diesem Bereich stehen und die Beine gewöhnlich nicht eng aneinander anliegen haben, leiten so den Strom in den menschlichen Körper. Ist der Boden zudem schon feucht, kann der Strom noch weitere Meter fließen ("Kriechstrom").
Es ist immer noch eine Gewohnheit, dass sich der Mensch bei einem beginnenden Schauer oder Gewitter unter Bäume flüchtet, um Schutz zu suchen. Verstärkt wird diese Tatsache noch durch eine Bauernregel, die u.A. beinhaltet: "Buchen sollst du suchen". Das ist vollkommen falsch und lebensgefährlich! Dem Blitz ist es herzlich egal in welchen Baum er einschlägt. Unter einem Baum vor einem Gewitter Schutz zu suchen gehört zweifellos zu den fahrlässigsten Fehlern überhaupt. Schlägt der Blitz in den Baum ein, springt die Entladung auf den menschlichen Körper über (=Blitzüberschlag). Da durch die extreme Temperatur des Blitzschlages das Wasser im und am Baum explosionsartig verdampft, werden zudem Rinde, Äste oder ein Teil des Baumes regelrecht gesprengt (siehe Video unten).
Grafik: VDE e.V. (www.vor-blitzen-schuetzen.eu)
STARKREGEN: Sturzfluten und Aquaplaning - "das ging so schnell..."
Neben Blitzen tritt bei Gewittern starker Regen auf. Binnen weniger Minuten kann dabei ein richtiger Wolkenbruch niedergehen, der Überflutungen selbst an Orten verursacht, bei denen man nicht zwingend mit Überschwemmungen rechnet. In wenigen Augenblicken kann das Wasser zentimeterhoch stehen, im schlimmsten Fall kommt es als Flutwelle, die einen halben Meter oder höher sein kann und dann Autos, lose Gegenstände und vieles mehr mitreißt. Solche "flash floods" (Sturzfluten, Schlammlawinen) verursachen in Thüringen häufig Schäden wenn sie Straßen beschädigen, Grundstücke überfluten und in Häuser sowie Tiefgaragen eindringen.
Besonders tückisch sind Wasseransammlungen auf Autobahnen. Hier reichen nur wenige Zentimeter, damit ein Fahrzeug bei hoher Geschwindigkeit "aufschwimmt". Man spricht in solchen Fällen von Aquaplaning. Ebenso gefährlich sind Wasserfontänen, die von anderen Spuren herüberspritzen.
Durch Starkregene ausgelöste Überflutungen (flash floods) in Thüringen:
Links: Troistedt/Weimarer Land am 27.04.2014. Rechts: Das Geraer Unwetter vom 05.07.2012
Sicherheitshinweise:
HAGEL: Wenn uns das Gewitter bombardiert
Die Überschrift verleitet zum Schmunzeln, doch wer schon einmal einen Hagelschauer mit größeren Hagelschlossen erlebt hat, wird diese Aussage bestätigen. Hagel entsteht innerhalb der Gewitterwolke, wenn die Wassertröpfchen durch den Aufwind in große Höhen getragen werden, wo sie gefrieren. Sie beginnen dann wieder zu fallen und der Kreislauf wiederholt sich so lange, bis das Hagelkorn so groß und schwer ist, dass es der Aufwind nicht mehr tragen kann und der Hagel nach unten fällt.
Es ist eine Kombination aus Größe und Gewicht der Hagelschlosse in Verbindung mit dem Abwind, mit dem er nach unten fällt. Bei schweren Gewittern und Superzellen werden große Hagelschlossen nach unten geschleudert. Diese schlagen Putz von den Hauswänden, haben schon Dachziegel durchbrochen, entlauben Bäume und vernichten ganze Ernten. Schon ein Hagelkorn ab 1cm Größe kann auf dem menschlichen Körper Schmerz verursachen. Blaue Flecken und Platzwunden sind bei größeren Exemplaren keine Seltenheit. Noch größere Hagelbrocken führen schlimmstenfalls zu Schädelbrüchen. Auch für die Luftfahrt ist Hagel ein ernstes Problem.
Links: Hagel auf der A38 im Mai 2011. Rechts: 14cm großer Hagel vom 06.08.2013 in Reutlingen (BaWü):
Sicherheitshinweise:
WIND: Als Fallböen, Böenfront oder Wirbel
In Verbindung mit Gewittern treten unterschiedlich starke Windböen auf. Diese können räumlich betrachtet ein kleines Gebiet (Fallböen) oder ein größeres Gebiet (Böenfronten) betreffen. Die Gewitterabwinde erreichen je nach Intensität des Gewitters Geschwindigkeiten zw. 62 und 102 km/h, in sehr starken Fällen Orkanstärke über 103 km/h. Gerade Gewitterfallböen (Downbursts) können noch höhere Geschwindigkeiten erreichen und ohne Vorwarnung Schaden anrichten. Bei Böenfronten in Verbindung mit Gewitterlinien oder größeren Gewitterclustern findet sich an der Vorderseite dieser Systeme eine Böenfront. Ihr Ausmaß kann hunderte Kilometer umfassen. In diesem Bereich können in einem größeren Gebiet Windschäden verursacht werden.
Der Wind sorgt in Kombination mit anderen Begleiterscheinungen wie Starkregen und Hagel für eine Erhöhung des Gefahrens- und Schadenspotentials. Starkregen mit Wind vermischt vermindert beispielsweise die Sicht im Freien und Wasser kann besser in Autos oder Gebäude eindringen. Bei Hagel wird es noch einmal gefährlicher, denn durch den Wind erfährt jede Hagelschlosse noch einmal eine Beschleunigung. Hagel fiel schon mit über 100 km/h vom Himmel! Durch den Wind werden Äste, lose Gegenstände, Dachziegel u.v.m. durch die Luft geweht. Bäume und Masten können knicken.
Tornados richten die schwersten windbedingten Schäden an: Besonders die umherfliegenden Trümmer mit hoher Fluggeschwindigkeit sind sehr gefährlich. Sie durschlagen PKW, Fenster, Kunststoff und den menschlichen Körper. Gebäude können schwere Schäden bis zum Einsturz davontragen.
Sicherheitshinweise Gewitterabwinde/Fallböen/Böenfronten:
Sicherheitshinweise Tornado
MENSCH und TIER: Wenn wir selbst zur Gefahr werden
Jeder Mensch erlebt in seinem Leben unterschiedlich viele Gewitter. Je länger ein Zeitraum ohne solch ein Ereignis andauert, umso nachlässiger wird man gegenüber den Gefahren von Gewittern und deren Auswirkungen. Unmittelbare Blitzschläge können nicht nur Verletzungen hervorrufen, sondern auch Panik verursachen. Eine Gewitterfront mit Starkregen, Hagel und Windböen im Sturm- bzw. Orkanbereich, die beispielsweise auf ein Großveranstaltung trifft, kann für eine Vielzahl unterschiedlicher Verletzungen sorgen. Ein trauriges Beispiel dafür ist das Bow Echo, welches am 18.08.2011 das "Pukkelpop Festival" in Belgien traf. Auf dem Festivalgelände flogen nicht nur Äste und Zelte auf dem Gelände umher, sondern auch Teile von der Bühnentechnik und Bäume. Leider gab es mehrere Tote und zahlreiche Verletzte. Die nachfolgenden Videos verdeutlichen die Auswirkungen:
Am 09.05.2013 erlitten 39 Besucher bei einer Veranstaltung am Holzendorfer See (bei Schwerin) Verletzungen, nachdem der Blitz auf das Festivalgelände einschlug.
Während der Fahrt mit dem PKW kann es durch Blitzschlag, Aquaplaning, etc. zu unvorhersehbaren Reaktionen der Autofahrer kommen. Genügend Abstand und eine angepasste Fahrweise beugen Unfällen vor. Es hilft auch nicht das größte Vertrauen in die Elektronik des Fahrzeuges, denn auch Stabilitätsprogramme geraten an physikalische Grenzen.
In 2013 kam es zuletzt mehrmals vor, dass Tiere während eines Gewitters aus Ihrer Weide in Panik ausbrachen und verwirrt in Ortschaften liefen (z.B. in Tambach-Dietharz) oder Straßen blockierten. Windböen schleuderten schon Katzen und Hunde einige Meter durch die Gegend. Die Auswirkungen eines Tornados sind noch einmal schlimmer, denn dann können Tiere hunderte Meter durch die Luft gewirbelt oder durch umherfliegende Trümmer verletzt bzw. getötet werden.