Gewitter können zu jeder Jahreszeit auftreten. In Thüringen haben Sie Ihren Schwerpunkt von April bis September. Die Gewitterentwicklung setzt bestimmte Parameter voraus (Feuchte, Labilität, Hebung), die zusätzlich durch Windscherung verstärkt werden kann. Stimmen diese Paramter überein, können sich einzelne Gewitterzellen, Verbunde von Gewitterzellen bis hin zu großräumigen Clustern oder Gewitterfronten ausbilden.

Klassifikation von Gewittern

Luftmassengewitter: Dieser Gewittertyp wird thermisch ausgelöst, d.h. durch lokale Aufheizung der unteren Atmosphärenschichten. Nachdem die Gewitterbildung einmal in Gang gesetzt wurde, treten meist weitere Gewitter im Umfeld der ersten Gewitterzelle auf, bis am Ende ein größerer Verbund oder Cluster von Gewittern entstanden ist. Diese Gewitter sind meist ortsfest und verlagern sich nur sehr langsam. Hauptgefahr ist Starkregen mit daraus resultierenden Überflutungen ("flash floods"), Hagel mit Korngrößen zw. 1 und 3cm in größeren Mengen sowie Windböen/Gewitterfallböen. Dieser Gewittertyp tritt in Thüringen besonders häufig entlang des Thüringer Waldes auf, da einerseits die Berge einen zusätzlichen Hebungsantrieb liefern und sich lokale Konvergenzen ausbilden können. Auch entlang des Schiefergebirges, im Vogtland, dem Südharz und punktuell kleinere Höhenzüge wie die Hainleite fördern die Entwicklung von Luftmassengewittern.

Dieser Gewittertyp ist im Volksmund als Wärme- oder Hitzegewitter bezeichnet. Meist treten solche Gewitter ab den frühen Nachmittagsstunden auf und fallen in der 1. Nachthälfte wieder zusammen.

Typisches Luftmassengewitter über dem Thüringer Wald (Bild: M.Weggässer)

Frontgewitter: Sind die Bedingungen für Gewitter gegeben, liefern Fronten von Tiefdruckgebieten (Kaltfronten, seltener Warmfronten sowie Mischfronten) die nötige dynamische Hebung, sodass sich Gewitter zu Fronten über mehrere hundert Kilometer oder Clustern organsieren können. Bei Gewittern an Kaltfronten macht sich mit Durchgang der Gewitterfront eine Winddrehung, Druckanstieg und Temperaturrückgang bemerkbar. Häufig entwickeln sich in Deutschland die Gewitterfronten vor der Kaltfront (präfrontal) an Konvergenzen. An einer Konvergenz strömen Luftmassen aus zwei unterschiedlichen Richtungen zusammen, die somit zum Aufsteigen gezwungen werden. Es gibt zudem einige Mischformen, wie Gewitter an Wellenfronten und Luftmassengrenzen, auf die hier vorerst nicht näher eingegangen wird.

Sämtliche Begleiterscheinungen können bei Frontgewittern je nach Organisation und Verhältnis der Gewitterparameter auftreten!

Frontgewitter ziehen meist mit einer bedrohlich dunklen Wolkenwand am Horizont auf (Bild: M. Rank)

Nicht unerwähnt sollen Gewitter von Kaltlufttropfen bleiben. Ein Kaltlufttropfen ist ein abgeschnürtes Gebiet von kalter Luft in etwa 5.500 Metern Höhe, das von zwei Warmluftmassen eingeschlossen wird. Die Gewittervorhersage ist bei solchen Gebilden besonders unsicher. Als Begleiterscheinungen können Starkregenfälle, Hagel, Windböen und hohe Blitzraten auftreten.

Kaltluftgewitter im Trogbereich (Rückseitenwetter): Nach Durchgang einer Kaltfront folgt der Trog (Gebiet höhenkalter Luft), in dessen Bereich die Luft labil geschichtet ist. Hier treten zahlreiche Schauer und im Vergleich zu den Frontgewittern schwächere Gewitter auf. In der Wettervorhersage wird gern mal der Begriff "gewittrige Schauer" verwendet. Weniger gefährlich sind diese Gewitter aber längst nicht. Im Winter und den Übergangsmonaten können Sie mit Graupel, Hagel und Schneeregen/Schnee verbunden sein, der zu plötzlicher Glätte und nicht selten zu Unfällen führt.

Die Rückseite eines Kaltluftgewitters (Bild: M. Weggässer)

Zutaten für die Gewitterbildung

Labilität (oder Instabilität) in der Atmosphäre: Labilität (oder Instabilität) in der Atmosphäre: Liegt ein großer Temperaturunterschied zwischen den unteren Luftschichten und den oberen Luftschichten bis zur Tropopause (der Sperrschicht zur Stratosphäre) vor, können aufsteigende Luftpakete, welche wärmer sind als die kühlere Umgebung in der sie aufsteigen, immer weiter nach oben vordringen. In Verbindung mit entsprechender Feuchte kann Wolkenbildung (durch Kondensation) ausgelöst werden.

Feuchtigkeit/Feuchte: Für die Gewitterbildung ist der Wasserdampf in der Atmosphäre von Bedeutung: Die Luft kann nur eine bestimmte Menge an Wasserdampf aufnehmen. Sind 100 % erreicht, kommt es zur Sättigung und folglich zum Kodensationsprozess (der Wolkenbildung). Während des Kondensationsprozesses wird latente Wärme freigesetzt, sodass sich das aufsteigende Luftpaket weniger schnell abkühlen kann, wodurch es potenziell wärmer als seine Umgebung bleiben kann (d.h. die beim Aufstieg in darüberliegende kältere Luft).

Hebung: Damit die warme Luft aufsteigen kann bedarfs eines Faktors bzw. Impulses, der die Luft zum aufsteigen zwingt. Dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen: (1) Durch Sonneneinstrahlung (besonders an Südhängen) steigen am Boden erwärmte Luftpakete auf und kondensieren in der kühleren darüberliegenden Umgebung. (2) Durch Gebirgshänge (Orographie), an denen Luftmassen zum Aufstieg gezwungen werden. (3) Die Fronten von Tiefdruckgebieten (insbesondere Kaltfronten, Okklusionen (=Mischfronten)) sorgen für großflächiges Anheben der Warmluft vor der Kaltluft. Besonders an Kaltfronten kommt es häufig zu Gewittern. (4) Lokale Konvergenzen (Zusammenströmen von Luftmassen) zwingen die Luft ebenfalls zum Aufstieg. Sie entstehen entweder durch unterschiedliche Erwärmung der Erdoberfläche oder durch kleinräumigere Störungen, ebenso wie vor Kaltfronten.

Zusätzlicher Faktor Windscherung: Von Windscherung spricht man, wenn der Wind einerseits mit der Höhe immer stärker wird (Geschwindigkeitsscherung) oder aus unterschiedlichen Richtungen zwischen der Grenzschicht und den Luftschichten darüber weht (Richtungsscherung). Beide Faktoren können natürlich auch zusammen auftreten. Für die Bildung von großräumigen Gewittersystem und von Superzellen ist die Windscherung ein entscheidender Faktor, da Auf- und Abwind des Gewitters getrennt werden und der Aufwind somit sehr lange existieren kann. Hohe Windgeschwindigkeiten in der Höhe sorgen außerdem für effizienten Abtransport der aufgestiegenen Feuchte (schnelle Ausbreitung des Gewitteramboss). Die Windscherung kann aber auch die Gewitterentwicklung erschweren, nämlich dann wenn eine starke Geschwindigkeits- und Richtungsscherung gegeben ist, aber nur geringe Feuchte und Labilität vorhanden, wodurch die Wolken förmlich zerissen werden.

Ablauf einer Gewitterbildung

Egal in welcher Form sich die Gewitter im Verlauf organisieren, der Lebenszyklus ist immer gleich. Man unterscheidet dabei das Wachstumsstadium, das Reifestadium und das Stadium des Absterbens. Mit dem Tagesgang (Änderung der meteorologischen Elemente im Tagesverlauf) entwickeln sich in den späten Vormittagsstunden erste Quellwolken vom Typ Cumulus (scharfe Untergrenze, blumenkohlförmiges Aussehen). Diese wachsen mehr oder weniger rasch weiter in die Höhe und können durchaus die typischen ersten Türmchen ausbilden.

Dieser Prozess wiederholt sich immer wieder und jeder neue Aufwind lässt die Quellwolke mächtiger werden. Zeigt sich die Quellwolke vertikal sehr mächtig entwickelt, befindet sich die Gewitterzelle im Wachstumsstadium. Zeigt sich am Gipfel dieser Quellwolke eine zarte, sanft erscheinende Kappe (pileus) wird eine Sperrschicht (Inversion) in der Höhe durchbrochen. Das ist ein Zeichen, dass sich die Gewitterentwicklung weiter fortsetzt. Ein Muss ist das Auftreten der Kappe jedoch nicht.

Sobald der obere Teil dieser Quellwolke sein blumenkohlartiges Aussehen verliert und eher faserig aussieht, erreicht die Zelle das oberste Wolkenstockwerk, in dem durchweg Minustemperaturen herrschen und der Vereisungsprozess der Wassertröpfchen einsetzt. Man spricht dann von einem Cumulonimbus calvus. In dem Moment, wo die Quellwolke nahe an dieser Entwicklungsstufe ist, beginnt häufig schon erster Niederschlag zu fallen, der durch Fallstreifen (virga) und später einem Niederschlagsbereich (praecipitatio) sichtbar wird. Neben Regen kann hier auch schon Hagel auftreten. Meist treten zudem die ersten elektrischen Entladungen innerhalb der Wolke auf und es ist Donner vernehmbar.

Reift die Zelle zum voll entwickelten Cumulonimbus, der am mächtigsten entwickelten Wolkenart heran, intensivieren sich die Niederschläge und es treten Gewitterfallböen auf. Wer diese Gewitterzelle aus gewisser Distanz beobachtet, wird einen für Gewitter typischen Amboss (incus) sehen, an dem beutel- oder sackartige Wolkenklumpen (mammatus) nach unten hängen können. Unter dem Amboss zeigt sich ein dunkler Bereich von Niederschlägen mit zuckenden Blitzen, die Zelle ist nun voll entwickelt.

Die Lebenserwartung solch einer Gewitterzelle ist eher kurz (20 bis 60 Minuten). Erhält die Zelle keinen weiteren Nachschub an feuchter Luft, wird sie ausregnen (Stadium des Absterbens) und sich auflösen. Der Amboss der Gewitterzelle kann dann ohne Basis in der Luft hängen (verwaister Amboss), der sich im Verlauf in Cirrostratus- oder Cirruswolken umwandelt, welche als altes Relikt der Gewitterzelle in der Luft schweben.

Häufig organisieren sich die Gewitterzellen zu Multizellen und noch größeren Systemen. Dann kann der Himmel von Gewittern in den unterschiedlichsten Stadien übersät sein. Sobald sich Verbunde von Gewittern entwickeln, bildet sich rückseitig ein Niederschlagsgebiet der sterbenden Zellen, während sich an der vorderen Kante die jüngsten Gewitterzellen finden. Mehr dazu auf der nächsten Seite "Was sie sind".

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