11/09
Liebe Freunde konvektiver Großereignisse,
die meisten von uns sollten den legendären 11.09.2011 noch in guter Erinnerung behalten haben. Ob Trauer und Wut des
amerikanischen Volkes die Winde zu Orkanstärke anfachte, sei dahingestellt. Fest steht, dass an diesem Tag schwere Gewitter
über große Teile Thüringens hinwegzogen. Mit für diese Regionen unerwarteter Heftigkeit erwischte es v.a. Nordthüringen.
Zahlreiche umgestürzte Bäume, sowie Schäden durch größeren Hagel waren im Eichsfeld und im LK Nordhausen zu beklagen. Die
entsprechenden Berichte sollten bekannt sein.
Dabei blieb Thüringen zum Glück von den noch heftigeren Entwicklungen über Sachsen-Anhalt verschont. Dort fegten z.T.
Hagelorkane über die Landschaft hinweg, wie man sie zur besten Zeit in der Tornadoalley im Mittleren Westen der USA
erwarten würde:
http://www.wzforum.de/forum2/read.php?8,2259961
Dabei deutete sich das Ungemach bereits tags zuvor an. Am Abend des 10. September schrieb ich Maurice eine SMS um ihn
auf gewaltige CAPE oberhalb einer EML hinzuweisen. Feuchtwarme Luftmassen gelangten in einer südwestlichen Strömung von
Spanien über Frankreich nach Mitteleuropa. Eine ähnliche Wetterlage hatte Ende August 2011 bereits zu schweren Gewittern
geführt. Typisch für diese weit auf Südwest aufsteilende Strömung ist die Ausbildung einer EML. Auf das Entstehungsprinzip
hatte ich im letzten Bericht bereits hingewiesen. Die EML sorgte vor dem Ungemach für weitgehend wolkenfreien Himmel.
Die eigentliche Energie stand entkoppelt jedoch bereits oberhalb der EML bereit und lag somit in der Luftmasse selbst. Die
allmählich schwächelnde Septembersonne über Mitteleuropa trug nur wenig zur Labilisierung bei. Das 18z-Sounding von Idar-
Obenstein am 10. September zeigte bereits einen CAPE-Wert von 1739! CIN blieb äußerst niedrig, sodass man fast befürchten
musste, dass der Deckel schon am Abend des 10. September geknackt würde. Der Deckel jedoch hielt und die gesamte Energie
konnte am 11.09. tagsüber freigesetzt werden.
Im Sounding deutete sich außerdem starke Richtungs- und Geschwindigkeitsscherung an, die am Folgetag durch einen kräftigen
Jet forciert wurde. Die Umgebung auf dem Atlantik war zudem bereits für erste Herbststürme prädestiniert. Eine kräftige
Kaltfront sorgte in Mitteleuropa schließlich für die nötige Auslöse.
Man könnte die Ereignisse an diesem Tag somit als unglückliches Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren betrachten. Ob man
im Monat September von einer statistischen Häufung von Gewittern in Nordthüringen sprechen kann, lasse ich bewusst offen.
Die TLUG-Karten geben zumindest Hinweise darauf, dass Teile Nordthüringens im September häufiger als andere Regionen in
Thüringen von Gewittern heimgesucht werden, zumal der Effekt im Juli beispielsweise gegenteilig auftritt.
Ich ließ die Wetterlage natürlich nicht ungenutzt und beobachtete das Geschehen aufmerksam. Am Nachmittag zog eine
gewaltige Gewitterlinie mit ungeheurer Geschwindigkeit auf große Teile Nordthüringens zu. Berichte über größeren Hagel
waren mir bereits bekannt, sodass ich mich entschloss, mich lieber noch etwas aus der Zugbahn zu entfernen und den
Schwerpunkt auf das Fotografieren des südlichen Teils der Linie zu legen. Da ich keinen besonders guten Blick in nördliche
Richtung hatte, entschloss ich mich zu spät noch meinen Standort zu wechseln und das, was da am Horizont aufzog,
überrollte mich schließlich einfach. Markus und Marco hatten etwas mehr Glück.
Die aufziehende Shelfcloud von Sondershausen aus in Richtung Südwesten. Man beachte auch die castellani direkt vor der
Linie. Den gesamten Tag über konnte man keine Quellungen sehen.
Der Inselsberg wird vom Arcus eingehüllt.
Der Hagelvorhang rückt bedrohlich nahe. Nach einem relativ nahen Einschlag außerhalb des Niederschlagsbereichs verdrücke
ich mich ins Auto. Stroboskopgeflacker in den Wolken. Die Szenerie wird unwirklich. Ich beginne hektisch nach der Suche
nach einem zweiten Aussichtspunkt. Doch die Front hat mich bereits eingeholt. Es kommt zu Sturmböen. Das Auto wackelt. Ein
geniales Whalesmouth erscheint (siehe Marcos Bilder). Doch ich bekomme die Tür meines Wagens kaum auf. Zudem setzt nun der
Starkregen ein. Verzweifelt suche ich nach einem Ausweg aus der Misere. Aber nur wenig später setzt kleinkörniger Hagel
ein, Erdblitze, Naheinschläge. Keine Chance.
Nachdem ich mir irgendwie den Weg zur B4 gebahnt habe, treffe ich Markus und Marco durch Zufall bei Westerengel. Ich folge
ihnen unauffällig im Tarnmodus meines SEAT und jage ihnen auf einer Anhöhe bei Straußfurt einen gehörigen Schrecken ein.
Von der Chasingerfahrung des Forenchefs profitierend kann ich noch einen abziehenden Hagelschlot ablichten.
So schnell, wie die Unwetter kamen, so schnell zogen sie auch ab. Die beiden machten sich schließlich auf den Weg nach
Mittelthüringen, während ich versuchte, Schäden in Nordthüringen aufzuspüren.
Vier oder fünf Blaulichteinsätze musste ich auf dem Weg nach Norden durch Ranfahren unterstützen. Die Schadenssuche erwies
sich bald als Fehler. Als ich auf der A38 gen Westen fahren wollte, gelangte ich in einen Stau. Zu meinem Unglück
entwickelte sich gerade dann eine zweite, fotogene Gewitterlinie über meinem Standort. Die Schäden selbst brauchte ich
nicht lange zu suchen. Zwei umgestürzte Bäume in Nordhausen, kleinräumige Überflutungen und viele kleinere und einzelne
größere Äste zierten meinen Weg durch den Landkreis Nordhausen.
Ich entschloss mich, nun gleich meinen nötigen Weg nach Leipzig anzutreten und das weitere Chasing damit zu verbinden. Im
Niederschlag konnte ich am Abend noch zahlreiche Crawler und Wolkenblitze beobachten, wie das untenstehende Video
dokumentiert.
17/09
Wehmütig hatte ich mit der Saison am 11.09. bereits abgeschlossen. Genauso tat ich es auch schon im Juli, am 26.08. und am 04.09..
Also begügte ich mich am 12.09. bereits mit einem netten Hochdruck-Abendrot von Leipzig aus.
Doch pünktlich zum Wochenende, am 17.09., etablierte sich erneut eine Gewitterlage, die vorwiegend für Ostdeutschland
nochmals interessant wurde. Bei Sonnenuntergang konnte ich von Leipzig aus zunächst Wetterleuchten in westlicher Richtung
sehen. Ich entschloss mich zum Zwenkauer See zu fahren um das Geschehen besser beobachten zu können. Es kam jedoch
gleichzeitig zu einer Neubildung über der Leipziger Südvorstadt, sodass ich auf der Fahrt eine kräftige Entladung zu sehen
und zu hören bekam. Am Zwenkauer See musste ich mehrmals vor Starkregen aus dem entstehenden Multizellencluster flüchten,
genoss dann schließlich aber doch noch ein schönes Blitzspektakel aus der Ferne und im Trockenen.
Der Schwerpunkt der Gewitter verlagerte sich allmählich nach Süden und Osten, sodass ich beschloss, dem Cluster noch bis
Nossen zu folgen. Auf der Fahrt konnte ich einige helle Entladungen wahrnehmen. An einem Rastplatz versuchte ich noch
einmal einige Blitze per Langzeitbelichtung festzuhalten, diese waren aber wiederum meist noch von mäßigem bis starkem
Regen umhüllt. Ein paar Exemplare wurden ganz gut sichtbar.
Zum fünften mal sagte ich der Saison 2011 "Auf Wiedersehen", doch kaum war ich des Nachts in Leipzig angekommen, schon zog
erneut ein kurzes Gewitter mit Starkregen über die Region hinweg. Mit dem sechsten "Auf Wiedersehen" entschlief ich der
Saison...
... bis zum nächsten Morgen. Die Gewitter gaben nicht auf mich zu begeistern und zauberten am bereits hellen Morgenhimmel
noch einige Wolkenblitzkanäle und laute Donner in die Landschaft. Zum siebten mal verabschiedete ich die Saison 2011...
... to be continued.
Zum Abschluss noch das kurze Video, welches eine Zusammenfassung von Entladungen des 11. und des 17.09. zeigt.
[video]
Grüße
Euer Erinnerungsspezialist