Hallo zusammen,
es müssen schon Jahrhunderte vergangen sein, seit ich meinen letzten Chasing-Bericht geschrieben habe. Doch mit der Gewittersaison 2019 hat inzwischen mein Gewitterfoto-Sammelalbum wieder eine beträchtliche Größe erreicht. Hier muss also dringend gehandelt werden - ganz im Gegensatz zu 2018, welches nicht nur hinsichtlich großer Dürre und Hitze katastrophal war - auch ließen die permanenten Blockadelagen ab Mai kaum vernünftige, fotogene Gewitterlagen zu, wodurch aber auch keine Arbeit für die Aufbereitung anfiel.
Seit Juni 2019 ist diese Flaute nun bei mir weitgehend gebrochen. Genauer werde ich dann sicherlich in einem Jahresrückblick auf die Wetterlagen und Besonderheiten in dieser Saison eingehen und Vergleiche zu den Vorgängerjahren 2017 und 2018 ziehen. Doch zunächst möchte ich einige Einzelereignisse aufarbeiten und in diesem Zuge auch mein ganzes Material sichten, sortieren und bearbeiten.
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Während die erste Juniwoche in Leipzig neben der in diesem Monat allgemein vorherrschenden "Dauerhitze" außerdem noch durch Trockenheit geprägt war und sich meist nur Staubstürme und Gewitterreste zu uns verirrten, änderte sich das Muster am Pfingstmontag markant. Erstmals lag auch der Osten Deutschlands entwicklungsgünstig auf einer Trogvorderseite und die herangeführte Luftmasse war für mitteleuropäische Verhältnisse außerordentlich labil und blieb uns tagelang erhalten:
http://www.storm-chasing.de/fo…9/?postID=37327#post37327
Damit war der Pfingstmontag der Auftakt zu einer dreitägigen Gewitterserie, wie sie Leipzig und Umgebung wohl bislang selten erlebt hat. Im Verlauf des Junis gab es auch noch weitere Ereignisse, doch dazu später mehr.
Zunächst konnte ich einen teils wolkigen, teils sonnigen Feiertag genießen. Regenfälle aus der Nacht hatten die Luft etwas angefeuchtet, was aber tagsüber wieder "weggeheizt" wurde. Erst am Abend verstärkte sich von Osten her erneut die Zufuhr feuchtwarmer Luftmassen nach Sachsen. Da sich lange Zeit jedoch keinerlei konvektive Regung zeigte, war ich beinahe geneigt das Handtuch zu werfen. Einzig über München trieb eine ausgewachsene [definition=101,0]Superzelle[/definition] ihr Unwesen und brachte dort schwere Unwetter mit großem Hagel.
Weiter nördlich galt es die Entwicklung der bodennahen Winde und Taupunkte im Auge zu behalten. Da der Wind 19 Uhr über Sachsen noch immer aus östlichen Richtungen wehte und sich eine [definition=57,0]Konvergenz[/definition] von Bayern aus nach Norden erstreckte, war dies als positives Zeichen zu werten. Im Bayrischen Wald entwickelte sich bald darauf auch eine erste blitzintensive Zelle, die einen Weg nach Norden einschlug. Etwa 20.30 Uhr eskalierte die Situation und auf breiter Fläche zwischen Ostthüringen und dem Vogtland entstanden weitere kräftige Gewitterzellen.
https://kachelmannwetter.com/d…chsen/20190610-1830z.html
Mit Oliver machte ich mich sofort auf den Weg. Um eine gute seitliche Sicht auf die Zellen zu bekommen, die schnell verclustern würden, fuhren wir zunächst etwas nach Osten um Distanz zu gewinnen. Etwas ärgerlich war dann, dass sich die blitzaktivste Zelle nun ausgerechnet nach Leipzig bewegte, während sich vom Erzgebirge her eine Lücke auftat. Doch unsere Hoffnung war eine weitere kräftige Entwicklung bei Annaberg-Buchholz, die im Radar ein kleines Bogensegment aufwies. Diese bewegte sich in mäßigem Tempo am Erzgebirge entlang und verband sich bald mit weiteren Zellen zu einer durchgehenden Linie.
Wir platzierten uns mit großzügig gewähltem Abstand bei Dippoldiswalde mit guter Übersicht nach Südwesten. Hier hatten wir dann reichlich Vorlauf um den gesamten Aufzug zu genießen. Mit der Abenddämmerung wirkte bereits der vorauseilende Eisschirm bedrohlich dunkel. Geflacker und Blitze blieben jedoch eine ganze Weile versteckt, bis wir fast unseren Aussichtspunkt erreicht hatten. Inmitten landschaftlich reizvoller Kulisse und abendlicher Ruhe, die lediglich durch Naturgeräusche wie Vogelgezwitscher und Grillenzirpen unterbrochen wurde, konnten wir über eine halbe Stunde hinweg das zunehmende Geflacker am Horizont beobachten. Nur ganz zaghaft zeigte sich mal ein Blitzkanal:
Gleichwohl ist bereits eine anmutige Walze zu erkennen.
Die [definition=95,0]Scherung[/definition] sorgte dafür, dass sich das Gebilde nur langsam näherte. Im Gegenteil hatten wir kräftigen Rückenwind. Es wehte also ein warmer Inflow in den Zellkomplex hinein.
Besonders beeindruckend war die hohe Blitzfrequenz, die ich im Video in größtenteils ungeschnittenen Sequenzen festhielt:
(Am besten gleich hier eingebettet anschauen, denn das Video ist qualitativ etwas missraten, was wohl einer Mischung aus YouTube-Kompression, Dunkelheit und einem Bug der Kamera zu verdanken ist, die während des Drehs laufend in den Autofokus wechselte.)
Wie so üblich bei hohen Blitzraten zeigten sich nur selten sichtbare Blitzkanäle. Einige habe ich in der folgenden Sequenz nochmal zusammengeschnitten:
Schon bald zeigte sich die [definition=15,0]Shelfcloud[/definition] sehr deutlich. Am südlichen Ende konnte man Aufwindtürme erkennen, die treppchenweise wie eine Art "[definition=35,0]Flanking Line[/definition]" in das Südende der Linie hineinführten. Dort wurden auch hin und wieder Fraktusfetzen und ähnliche Gebilde nach oben gesogen.
Schließlich erhellte auch mal ein kräftigerer Blitz die Front:
Obschon die Tageszeit schon fortgeschritten war, war gerade am Südende die Gefahr größeren Hagel nicht ganz von der Hand zu weisen. Doch wir hatten Glück und bekamen eine relative Lücke ab, in der zwar Starkregen fiel, jedoch nur so, dass uns immer noch etwas Sicht auf die umliegenden Gewitter gewahrt blieb.
Nach einem kurzen Standortwechsel im Regen - etwas Wind war auch dabei, aber nichts Dramatisches - warteten wir ab, um den Abzug der Linie noch mitzunehmen. Doch der verzögerte sich, da vom Erzgebirge her weitere Zellen nachkamen.
https://kachelmannwetter.com/d…hweiz/20190610-2120z.html
Ich nutzte die Gelegenheit noch für ein paar Fotoversuche aus dem Auto heraus. Insbesondere unter dem stratiformen Teil sah man hin und wieder dann doch mal einen Blitzkanal.
Inmitten des Dauergeflackers wurde uns dann irgendwann langweilig bzw. kam die Müdigkeit durch, sodass wir bald nach Hause fuhren. Zu meinem Glück hatte ich am Dienstag nach Pfingsten noch einen Tag Urlaub und konnte ausschlafen - die perfekte Vorbereitung für die nächste Gewitternacht... tbc
Viele Grüße aus Leipzig
Chris