Liebe TSC'ler,
Am Sonntag, den 28.07.2013, stand eine Gewitterlage ins Haus, die von den hiesigen Modellen sehr heterogen gelesen wurde. Es war schlichtweg nicht möglich, ein eingegrenztes Gebiet vorherzusagen, geschweige denn die Intensität der Gewittertätigkeit zu beschreiben. Von einer böen-intensiven Squall-Line über einzelne Superzellen bishin zu MCS-artigen Strukturen mit hohen Niederschlagsmengen war an diesem Tag von Südwest bis Nordost Alles und Nichts möglich. Estofex reagierte ebenso verunsichert und mittelte das Geschehen auf Stufe 2 (wobei ein Flop Rtg. Stufe 1 und eine Update auf Stufe 3 denkbar waren):
Quelle: estofex.org
Hier mal ein paar Karten, die entsprechend unterschiedliche Entwicklung aufzeigen "wollten" (man beachte bitte, die unterschiedlichen Modelle/Läufe):
Quelle: www.wetterzentrale.de | WZ-WRF | Squall-Line mit starken Böen
Quelle: www.modellzentrale.de | Janeks WRF | Immer wieder werden extreme Niederschlagsmengen >40mm über Thüringen gerechnet
Quelle: www.modellzentrale.de | Janeks WRF | Die (ML-)Cape-Werte gingen rauf und runter, ebenso wie die CIN-Werte.
Quelle: www.lightningwizard.com | Wahrscheinlichkeit für Rightmover (Superzellen) | Zwar scheint hier sogar Thüringen im Fokus zu stehen (wenn ich es richtig lese), aber auch die süddeutsche Entwicklung wurde in jedem Fall berücksichtigt
Auf dem Weg nach Weimar, schrieb mir Markus kurz nach 16 Uhr:
»In Bawü explodiert es, brauchst aber nicht aufs Gas zu treten« :zwinker
Ein gutes Beispiel dafür, wie sich Nowcast in diesen Tagen abzeichnete. Ich verweise gern noch einmal auf die "Wetter Maps"-App, mit der es 5-minütlich aktualisierte Radarkarten zu sehen gibt. Inzwischen einfach unerlässlich bei solchen Lagen.
Zwischen 16 und 17 Uhr sieht man auf dem Radar, wie das intensive Gewitter in der Mitte von Baden-Württemberg deutlich nach rechts zu scheren beginnt (GIF einen Moment laden lassen
Quelle: http://www.skywarn.de/iras/public/
Ca. 17.30 Uhr brachen wir dann spontan nach Süden auf, da die Entwicklung in Thüringen schlichtweg offen blieb und die Superzelle auf dem Weg nach Bayern immer stärker wurde. Um diese überhaupt noch erreichen zu können, mussten wir umgehend los.
Kurz nach unserem Aufbruch teilte sich die Superzelle (Leftmover (antizyklonal) und Rightmover (zyklonal)). Der Rightmover verstärkte sich zusehends und brachte dem Osten Baden-Württembergs (z.B. in Reutlingen) markante Hagelgrößen von über 5cm. Inzwischen wird von einer "HP-Superzelle" (-> high precipitation) gesprochen:
Wir fuhren die A73 hinunter. Der Plan, sich (entsprechend der konsequenten Zugrichtung der Superzellen) irgendwo bei Nürnberg zwischen beiden Zellen einzufinden, ging auf.
Quelle: www.wetteronline.de
In Höhe Erlangen schafften wir es die nördlichere Superzelle rechtzeitig zu überholen - gegen 19.30 Uhr. Der süd-östliche Bereich der Leftmover-Superzelle gab dann den Blick auf eine wirklich beeindruckende Wallcloud, zu dt. Mauerwolke, frei.
Wir fuhren bei Erlangen-Mitte ab und suchten händeringend nach einer freien Fläche mit Blick nach Westen. Dank Markus Navi fanden wir diese recht schnell. Hier die Bilder von der Suche:
Ausschnitt aus dem GoPro-Film - da überqueren wir gerade den Main-Donau-Kanal.
Schließlich fanden wir im Westen der Stadt nahe eines Wohngebietes am "Welles Weiher" einen recht freien Aussichtspunkt Rtg. Westen und Norden.
Quelle: maps.google.de
Genau dort entlang zog dann auch die Wallcloud in recht beängstigender Nähe. Wären wir eine Ausfahrt früher abgefahren, wäre sie mit entsprechenden Naheinschlägen, direkt über uns hinweg gezogen. Ich habe jetzt noch die gleißend weißen Blitze im Umkreis von 2-3km an der Wallcloud vor Augen. Das Ultraweitwinkel der GoPro und meine 24mm an der Kamera können diesen Eindruck nur begrenzt vermitteln.
So konnten wir es gerade noch so mit unserem Respekt gegenüber dieser phänomenalen Naturerscheinung vereinbaren, auf einem Feld das Foto- und Filmequipment aufzubauen. Jedoch gingen wir immer wieder ins Auto.
Umso beachtlicher waren die Passanten mit Hund, die sich überhaupt nicht beirren ließen und sich vielleicht eher fragten, warum die zwei Gestalten dort so wuselig herumirrten.
Wir kamen gegen 19.45 Uhr auf diesem Feld an und erlebten nun wie sich eine gut ausgebildete Wallcloud (siehe Teller auf den vorherigen Bildern) langsam auslief. Hierzu noch das Bild vom sterbenden Schwan auf dem Radar:
Quelle: www.wetteronline.de
Dennoch konnte man die Rotation und Windscherung mit bloßem Auge noch deutlich und über den Sterbeprozess der Zelle hinaus erkennen. Es war beeindruckend.
Hier nun die Bilder:
Es war zugleich der erste ernste Test für meinen amerikanischen "Lightning Trigger" AEO Lightning Strike! Micro Pro 3.0, über den ich in diesem Sommer neben dem NeroTrigger (aus gleichem, türkischem Hause wie der PatchMaster) ein Review für Euch schreibe.
70% der Blitze wurden dabei gut abgebildet. Es kommt weniger auf die Helligkeit an (denn die Sensivität des Gerätes ist absolut beeindruckend), sondern vielmehr auf die Dauer des Blitzes (bezogen auf den Hauptblitzkanal). Wie im Video zu sehen ist, gab es enorm langandauernde Erdblitze mit mehreren Hauptentladungen:
Hierzu noch ein paar ausbelichtete GoPro-Blitzbilder (gestackt mit dem Programm Startrails, da auf demselben Prinzip basierend):
Als wir dann auch mitbekamen, dass sich die Superzelle von uns verabschieden wollte, hörten wir auch schon in unserem Rücken das Grollen der HP-Superzelle (ob sie eine solche zu diesem Zeitpunkt "noch" war, lass ich mal offen).
Unser Plan war nun, den Rückweg einzuläuten und gleichzeitig noch der zweiten SZ ein Stück zu folgen. So fuhren wir über das Autobahnkreuz bei Nürnberg an die westliche Ausprägung der Zelle heran.
Quelle: www.wetteronline.de
Die Zelle kam auch noch einmal deutlich an die Autobahn heran. Jedoch konnten wir über das Radarbild sicherstellen, einen Corepunch zu umgehen.
Zwischen Pegnitz und Bayreuth sahen wir dann eine deutliche Neuentwicklung an der Superzelle (die nun ihren Weg Richtung Tschechien fortsetzte). Ob es eine weitere Zellteilung war, kann ich nicht einschätzen.
Quelle: www.wetteronline.de
So wie auf dem Video zu sehen, fuhren wir bei Trockau ab, um die Neuentwicklung zu dokumentieren:
Inzwischen war die Nacht herein gebrochen. Wir hielten unterwegs noch ein weiteres Mal (bei Himmelkron), um nach einem guten Standort für Blitze Ausschau zu halten, wurden aber immer wieder vom Regen eingeholt. Langsam aber sicher verclusterten die Entwicklungen.
In Höhe Münchberg fuhren wir ein weiteres Mal ab und schauten noch einmal auf die Zelle:
Quelle: www.wetteronline.de
Bereits wieder in Thüringen, gab es inzwischen südlich von uns zwei im Regengebiet eingelagerte Gewitter (siehe Radarbild oben) - einmal aus Kronach kommend und die Entwicklung, welche wir in Trockau/Münchberg bereits fotografiert hatten.
Da uns die Kronacher Zelle gesünder erschien, konzentrierten wir uns fortan mehr auf sie. Höhe Triptis fuhren wir auf die B281 ab und hielten auch direkt westlich der A9 bei Miesitz. Wo anfangs noch recht kräftiger Inflow vorherrschte, setzt plötzlich für längere Momente Windstille ein. Wir beobachteten noch ein wenig das Geflacker der Kronacher Zelle auf ihrem Weg nach Saalfeld.
Quelle: www.wetteronline.de
Dann fuhren wir wieder über die A9 Richtung Weimar. In Höhe Schorba (A4) trafen uns dann die Reste der Kronach-Saalfelder-Zelle, die bereits vollständig verclustert war. Hier erlebten wir heftiges Aquaplaning. Es wäre vielleicht noch interessant, wie hoch die Niederschlagsmengen zwischen Jena und Weimar vor Mitternacht waren. In diesem Abschnitt der Autobahn war es allein aufgrund der Fahrbahnbeschaffenheit (->Wasseransammlungen) sehr unangenehm.
Nachdem wir also auch hier noch einmal eine kleine Lightshow auf Thüringer Boden zu sehen bekamen, beendeten wir gegen Mitternacht unseren Ausflug nach Bayern. Was für ein Tag!
Lieben Gruß von Markus und mir.