Gewitterlagen an Jahrestagen haben immer noch so eine gewisse Ironie. Das Setup ist zwar nicht gleich, die Region auch nicht unbedingt, aber man schwelgt doch automatisch in Erinnerungen. Erst recht wenn es erfolgreiche oder strukturell beeindruckende Tage waren.Der 18.08.2017 war einer dieser Tage, die gemeinhin als "Secret Level 3" bezeichnet wurden und einen soliden Superzellen-Ausbruch in Teilen Deutschlands produzierten. Westlich von Amberg chaste ich mit Felix eine der Superzellen, die meine bisher am schnellsten und deutlichste (echte) [definition=115,1]Wallcloud[/definition] produzierte.
Auch in der 2019er-Version waren verteilt von Rheinland-Pfalz bis Berlin einige rotierende Gewitter unterwegs, die diesmal aber eher durch ihre Fallböen Schlagzeilen machten. Und, was inzwischen selten wurde: Hochreichende [definition=95,0]Scherung[/definition] und schnelle Verlagerung bei südwestlicher Höhenströmung. Setups mit schneller Verlagerung verlangen der Chasing-Logistik einiges ab. Es kommt einmal mehr auf das Timing an. Hinterherfahren kann ohne Autobahn stressig und schnell zum Misserfolg führen. Fährt man zu dicht vorweg, kann es passieren dass man wenige Minuten bis gar keine Gelegenheit mehr hat noch einmal anzuhalten. Besser sind wohl überlegte Standorte in Zugrichtung, die man rechtzeitig anfährt und die Zelle ankommen lässt. Für diese Taktik haben wir (ich, Marco, RonnyEF und Birgit) uns entschieden.
Die Wettermodelle schaue ich mir persönlich frühestens 3 Tage für erste grobe Details genauer an. Alles andere zuvor ist Wunschvorhersage, wenn auch ein Trend
absehbar ist den ich im Hinterkopf habe ("Sonntag Gewitterlage möglich"). Im SuperHD tauchten bereits frühzeitig Superzellen auf, die von Hessen kommend
über Unter- und Oberfranken ziehen sollten, gefolgt von einem südlich ansetzenden Cluster in der 1. Nachthälfte. Dieses Muster blieb mit verschiedenen
Variationen in der Intensität und Verteilung auch beständig im Modell. Ein erster guter Anhaltspunkt ist eine solch wiederholte Simulation über alle Modellläufe. Auch über Thüringen wurden mit den näher an den Sonntag rückenden Läufen vermehrt Gewitter ausgelöst. Ohne jedes Modell im Detail angeschaut zu haben, schien es hier aber noch zu große Unsicherheiten zu geben, was Stärke und Verteilung der Gewitter anbelangte. Dies ging für die Planung als Unsicherheitsfaktor mit ein. Wahrscheinlicher war aufgrund der Konsistenz das Unter-/Oberfranken-Target. Auch weil es hier nach dem Regen am Morgen schon zeitiger und somit länger einstrahlte.
[h1]Zelle #1 Kühndorf (SM)[/h1]
Die Logistik (Straßen vs. Zugbahn inkl. geeigneten Beobachtungspunkten) übernahm Marco. Wir lagen südlich von Suhl genau in Zugbahn der ersten Zelle, die gegen 14:15 Uhr westlich von Mainz entstanden war und innerhalb von 2h die Thüringer Rhön erreichte. Von Erfurt aus starteten wir auf der A71 nach Süden.
Trotz 3x Stau an Baustellen erreichten wir pünktlich und stressfrei unseren Aussichtspunkt bei Kühndorf (SM). Unsere Zelle war bereits im Südwesten zu sehen:
Sie würde unseren Standort knapp passieren und weiter nach Ilmenau ziehen. Gefallen hat uns die geriffelte Wolkenstruktur der [definition=8,3]Basis[/definition]:
Die Zelle kommt nun näher. Blitze gibt es keine zu sehen, nur zweimal Donner. Wir können an der [definition=8,3]Basis[/definition] auch Rotation im kleinen Rahmen erkennen. Der Kringel in
den Wolkenstrukturen fiel mir erst im Bild genauer auf:
Durch den starken [definition=3,0]Abwind[/definition] sausen die Fallstreifen über die Landschaft und hüllen sie ein:
Die Zelle zieht so schnell durch, dass Marco und ich gar nicht erst ins Auto gehen. Schon war ein Regenbogen da. Jetzt schnell nochmal mit besseren Blick nach Osten verlagern, um die imposante Rückseite mit Fallstreifen und Regenbogen zu beobachten:
Wir verweilten noch einige Minuten, da wir aus schmerzlichen Südwestlagen-Würzburg-Erinnerungen lernten und die dortige Zelle nicht anfahren. Sie ging dann auch kaputt. Ha, diesmal nicht reingefallen
[h1]Zelle #2 Bad Neustadt an der Saale[/h1]
Da waren die neuen Zellen, die sich sozusagen unweit von uns im Main-Spessart-Kreis entwickelten, doch wesentlich jünger und komfortabler zu erreichen. An einem altbekannten Chasingpoint bei Bad Neustadt an der Saale kamen wir auch für diese Zelle rechtzeitig an. Sie wird auch das strukturelle Highlight des Tages werden. Man kann erkennen, dass ein gewisser Drehimpuls in der [definition=8,0]Aufwindbasis[/definition] vorhanden ist:
Direkt vor uns bildete sich bald ein neuer [definition=30,0]Downburst[/definition] aus:
Zoom auf den beginnenden [definition=30,0]Downburst[/definition] (zu finden zwischen der Kante des Aufwinds und dem Niederschlagsbereich daneben:
Der obligatorische Fuß kurz vor dem Eintreffen:
Kurz und heftig gibt's Starkregen, kleinen Hagel und kräftige Fallböen. Und diesmal auch mehr Blitze (in den Wolken) und öfters Donner. Und den 2. Regenbogen des Tages:
Video dazu via Twitter:
https://twitter.com/markus_tsc/status/1164033862147727360
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Um 15:45 Uhr erreichte das Saarland eine Gewitterzelle, die auf Ihrer Zugbahn nach Nordosten im Bereich Frankfurt am Main, Offenbach, Hanau für schwere
Downburst-Schäden sorgte. Dazu wissenswerte Infos via Twitter:
#1
https://twitter.com/JZ_Lpz/status/1163381650694311937
#2
https://twitter.com/TheNimbus/status/1163405866814660609
#3
https://twitter.com/BramvantVeen/status/1163128397834412032
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[h1]Zelle #3 Oerlenbach b. Bad Kissingen[/h1]
Für uns sollte diese Zelle die 3. an diesem Tag werden und wir wollten sie bei Bad Kissingen abfangen. Wir hatten sogar noch mehr Zeit als vorher und konnten an
einem guten Beobachtungspunkt bei Oerlenbach den Aufzug beobachten. Es waren zeitig tiefe Wolkenfetzen und eine tiefe Wolkenbasis erkennbar:
Zwischendrin sah es einmal verdächtig nach einer [definition=38,2]Trichterwolke[/definition] aus, die im Vergleich zu den anderen Fracti nebenan wesentlich dünner und weniger zerfetzt aussah:
Vor Ort war die vermeintliche [definition=38,2]Trichterwolke[/definition] zu weit weg, um es sicher zu erkennen. Das Video mit Zoom und Zeitraffer lässt die Rotation aber im Nachgang erkennen (schön im Vergleich zu den benachbarten Fracti zu sehen, die nach oben gesogen werden):
Video über Twitter:
https://twitter.com/markus_tsc/status/1164245696062599171
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Anhand der tiefen Wolkenfetzen, die gern mal wie eine [definition=115,2]Mauerwolke[/definition] aussahen, kann man die Turbulenz mit der herabstürzenden Kaltluft erahnen:
Noch einmal die ganze Zelle:
Die Zelle zog mittlerweile aber wieder mehr nordöstlich und wir mussten die Position noch einmal anpassen. Bei unserer Ankunft in Nödingen erwischten wir die Reste der Zelle:
Dazu schöne Wolken- und Lichtstimmung:
Wir lassen sie abziehen und fahren zurück zum Ausgangspunkt. Die Zelle wächst nun zum Cluster und zur Gewitterlinie über Thüringen heran und zieht Mitternacht in Richtung Polen ab!
Gewitter Nr. #4 entwickelt sich vor uns, schafft aufgrund des "kontaminierten" Gebiets mit Kaltluft der vorherigen Gewitter aber nicht mehr die großen Sprünge. Recht fotogen war es dennoch:
Wir spekulierten noch darauf, dass die Sonne pünktlich zum Untergang noch einmal durch die Restwolken kommt und eine schöne Abendstimmung erzeugt. Tat sie dann auch:
Dann fuhren wir zurück. Mit etwas flackernder Untermalung der Gewitter östlich von uns.
[h1]Reflektion:[/h1]
- Marco hat das perfekte Timing ausgeklügelt was zum dreimaligen Jagderfolg führte - super Arbeit!
- Kartierte Beobachtungspunkte haben bei der schnellen Findung von Beobachtungsplätzen wieder einmal geholfen
- Sicherstellen, dass die Gopro wirklich im Zeitraffer aufnimmt und nicht im Normalmodus...
- für den Abend doch ein paar Snacks einpacken
- Videoauswertung hat sich für Bestätigung von Funnel-Verdachtsfällen bestätigt
Markus