Beiträge von Anton Koetsche

    Tach zusammen,


    eine der (meiner Meinung nach) schönsten Superzellen unserer Region der vergangenen Jahre entstand am Abend des 18.06.2024 gegen 19:40 südwestlich von Arnstadt und zog bis 22:20 entlang der A4 bis auf die Höhe von Chemnitz, wo sie schließlich ihren superzellulären Charakter verlor. Eine Strecke von immerhin 160km. In dieser Analyse versuche ich das recht interessante Zusammenspiel von meso- und synoptisch-skaligen Prozessen an diesem Abend zusammenzufassen.



    Feuchte:

    Die Ausgangsbedingungen für Gewitter im Thüringer Becken am 18.06.2024 waren tagsüber lange Zeit nicht optimal. Starker SSW Wind und die damit einhergehende Überströmung des Thüringer Waldes sorgten für Absinken und starke Abtrocknung der Luftmasse im Thüringer Becken. Die Taupunkte fallen hier teilweise auf 13°C über 28°C Lufttemperatur. Initial eher schlechte Voraussetzungen für Gewitter. Im Super HD bei Kachelmannwetter gibt es eine Premiumkarte im Bereich Flugmeteorologie, nennt sich Luv/Lee Vertikalbewegung. Diese benutze ich gerne um die Hebungs/Absinkprozesse entlang der Mittelgebirge abzuschätzen. Die hier gezeigte Karte zeigt die Vertikalbewegung um 15 Uhr MESZ. Schön in blauen Farben sichtbar ist der Absinkbereich hinter dem Kamm des Thüringer Waldes. Der Absinkbereich erstreckt sich bis ins nordöstliche Thüringen und das südliche Sachsen-Anhalt. Hebungsprozesse (grün) finden sich hingegen südlich vom Kamm des Thüringer Waldes und entlang des Südharzes.



    Die erste Gewitteraktivität des Tages entlang einer recht langgestreckten Warmfront erreichte Thüringen gegen 15 Uhr. Anhand der Radarniederschlagssummen wird sichtbar, wie im Thüringer Becken nahezu sämtliche Gewitteraktivität unterdrückt wird. Eine langlebige Superzelle bewegt sich auf einer recht klassischen Zugbahn von Meiningen über das Vogtland bis ins Erzgebirge. Besonders im Bereich südlich vom Kamm des Thüringer Waldes profitiert die Zelle dabei von der Luvseitigen Hebung, während im Lee das Absinken dominiert. Später Richtung Erzgebirge gerät diese Zelle in die Absinkbewegung hinter dem Erzgebirgskamm, kann sich aber dennoch als LP Superzelle behaupten und zieht noch lange Zeit nach Osten. Weiter nördlich im Raum Leipzig und östlich davon ist die Feuchte lokal etwas erhöht, vor allem ist aber die Entfernung zu Thüringer Wald und Erzgebirge groß genug, um nicht zu stark von der Absinkbewegung betroffen zu sein. Auch hier bildet sich eine Superzelle über Leipzig, die später zu einem Bowecho wird und nach Osten rauscht.

    Im schwarz umrandeten Bereich fällt während des Nachmittags lediglich stratiformer Regen aus Gewitterresten oder Eisschirmen. Diese leichte Anfeuchtung der Grundschicht ist allerdings bereits ein erstes Puzzlestück für unsere Superzelle am Abend.



    Beispielhaft für die Anfeuchtung hier der Taupunktverlauf von Gera (https://kachelmannwetter.com/d…0z.html#obs-detail-105670). Mit dem Regen gegen 17:30 steigt der Taupunkt hier um 4 Grad von 14 auf 18°C



    Feuchte in der Grundschicht ist gut, wichtig ist aber vor allem die Feuchtekonvergenz, sprich die Advektion von feuchter Luftmasse in lokal begrenzte Gebiete. Hierfür ziehe ich die Feuchtefluss Analyse auf Kachelmannwetter heran (https://kachelmannwetter.com/d…boden/20240618-1840z.html). Blaue Farbe bedeutet hierbei das bodennahe Zusammenströmen von Feuchte. Nach den stratiformen Niederschlägen, zwischen 17:30 bis kurz vor der Entstehung der Superzelle um 19:40, ist eine schöne Feuchtekonvergenz nördlich/nördöstlich des Thüringer Walds zwischen Arnstadt und Gera sichtbar- ziemlich genau die spätere Zugbahn der Zelle ;)



    Die Feuchtekonvergenz wiederum entsteht durch ein mesoskaliges Bodentief/Leetief, welches sich im Bereich des Thüringer Beckens ausbildet. Dieses ist in den Bodendaten von 20 Uhr anhand des Druckfalls und des Bodenwinds zu erkennen. Der Druck im Thüringern Becken fällt zwischen 17 und 20 Uhr um 2hPa.


    Der Bodenwind im Thüringer Becken dreht auf NO bis ONO, weiter westlich strömt er aus NW und südlich des Thüringer Waldes aus S in das Bodentief.


    Genau im Zentrum dieses Bodentiefs entsteht die Superzelle. Das Bodentief bewegt sich wie die Superzelle in der nächsten Stunde nach Osten. Das Rückdrehen des Windes auf ONO sorgt dabei für eine zusätzliche gewitterrelative Windkomponente und erhöht die streamwise Vorticity. Mehr dazu im Abschnitt "Scherung".


    Hebung:

    Die synoptische Hebung, wichtig für die Entstehung des Bodentiefs und der Superzelle, resultiert aus einem Vorticitymaximum das sich aus Westen heranbewegt. Vor diesem Vorticitymaximum herrscht positive Vorticityadvektion, sowohl in 500 als auch in 300hPa. Positive Vorticityadvektion sorgt für Divergenz in der Höhe, was wiederum Hebung in den Schichten darunter und Konvergenz am Boden bewirkt.




    Labilität:

    Die Temperaturabnahme der Umgebungstemperatur mit zunehmender Höhe in der oberen Troposphäre ist maßgeblich für die Labilität. Hierfür betrachten wir die Mid-Level Lapserates, also die Temperaturabnahme zwischen 3 und 5.5km. Je negativer der Wert, desto stärker die Temperaturabnahme, desto mehr Labilität. Im GIF seht ihr, wie vom 17.06. 14 MESZ bis zum 18.06 20 MESZ ein Bereich von sehr negativen Lapserates (blau) vom Bereich der Iberischen Halbinsel bis nach Süd/Mitteldeutschland advehiert wird. Ich spekuliere, das diese Lapserates auf ein (modifiziertes) elevated mixed layer (EML) zurückzuführen sind. Also Luftmasse, die über den Hochebenen der Iberischen Halbinsel trockenadiabatisch durchmischt und dann in höhere Luftschichten gehoben wird und zu uns advehiert wird.



    Mit dieser CAPE Karte vom ID2 Model aus dem NinJo (DWD) betrachten wir nun das lokale Zusammenspiel von Feuchte und Labilität. Nur der 18z Lauf des Models hatte die Superzelle im Thüringer Becken zumindest angedeutet. Entlang der stärksten Feuchtekonvergenz im Thüringer Becken liegen recht flächig 1000-1250 J/kg Mixed Layer (ML) CAPE. Östlich der Saale verjüngt sich die Fläche zu einem schmalen CAPE-Streifen. Dieser stimmt gut mit der späteren Zugbahn der Superzelle überein. Der 10m Modelwind zeigt hier zusätzlich eine Windkonvergenz zwischen NO WInd nördlich des CAPE-Streifens und O-SO Wind südlich davon. Ich vermute hier Folgendes: Der Outflow der ersten Gewittersysteme östlich von Leipzig verstärkt den eh schon in Richtung des Bodentiefs strömenden NO Wind. Dieser konvergiert ungefähr entlang der A4 mit der durch den S-Wind abgetrockneten Grundschicht im Bereich des Erzgebirgskamms UND der durch die vorangehende LP-Superzelle modifizierten Grundschicht. Es ist denkbar, dass der feuchte Outflow aus NO eine recht trockene, durchmischte Grundschicht aus Süden "unterläuft", und so in einem recht schmalen "Mischungsstreifen" eine CAPE Erhöhung bewirkt.



    Diese Theorie wird vom Modelsounding (20 MESZ) entlang dieses CAPE-Streifens gestützt. Schön zu sehen ist eine bis 900hPa angefeuchtete Grundschicht, Wind dort schwach aus östlicher Richtung. Darüber dreht der Wind auf Süden, es zeigt sich eine eher trockene, aber trockenadiabatisch durchmischte Residualschicht. Auch darüber sind die tollen, annährend trockenadiabatischen Lapserates bis ca. 5km zu erkennen. Das ist eine typische Luftmasse, in der nie von selber eine Zelle entstehen würde. Dafür ist der Deckel zu stark. Die Superzelle bildete sich aber weiter westlich, in einer schwächer gedeckelten Luftmasse im Thüringer Becken. Auf dem Weg nach Osten konnte sich die Zelle die Luftmasse offenbar ausreichend modifizieren um darin lange Zeit zu überleben. Konvektion war außerdem nicht nur aus der Grundschicht heraus, sondern auch elevated aus der Residualschicht heraus möglich. Diese Kombination von elevated und surface based Konvektion hilft Zellen meiner Erfahrung nach oft dabei, auch einen stärkeren Deckel zu überwinden. Im unteren Sounding habe ich das nochmal grob skizziert.



    Rot ist hierbei die Aufstiegskurve aus der Grundschicht heraus, Blau die Aufstiegskurve aus der Residualschicht heraus. Beiden Aufstiegskurven steht durch die fast trockenadiabatischen Lapserates genug Labilität zur Verfügung. Die Superzelle kombiniert sozusagen die entkoppelte Konvektion aus der Residualschicht und die surface based Konvektion aus der Grundschicht heraus.



    Ein weiterer entscheidender Punkt für das Fortbestehen der Superzelle trotz der sehr gedeckelten Luftmasse ist die eigene Modifikation der Umgebungsluft. Das "Partypiece" der Zelle bestand meiner Meinung nach vor allem darin, sehr effektiv Niederschlag aus dem eigenen Forward-Flank-Downdraft (FFD) wieder in den eignen Aufwind zu integrieren. Im Bild (21:20 bei Gera) ist schön zu sehen, wie ein regelrechter Vorhang aus Regen (vermutlich kleine/leichtere Tropfen) aus dem FFD direkt wieder in den Aufwind geführt wird. Zwischen Regenvorhang und Aufwind bleibt ein kleines Loch, durch das man hinter die Zelle schauen kann...genial! Die Superzelle "füttert" sich selbst mit gesättigter Luftmasse und feuchtet die Umgebungsluft durch den Regen zusätzlich an. Dieser Prozess ist allerdings so kleinräumig, dass er nur schwer von einem Modelsounding wiedergegeben werden kann.



    Scherung:

    Hier möchte ich abschließend nochmal den ID2 Hodographen, wieder aus NinJo, präsentieren. Zeit und Ort wie das Sounding, also aus der Luftmasse, die die Superzelle durchquerte. Ganz am Boden ist die ONO Komponente zu erkenne, dann dreht der Wind rabiat über Süd weiter auf Südwest. Bereits in 0-1km herrschen 25kn Scherung. Im Hodographen sind die Vorticityvektoren schwarz und der Vektor des gewitterrelativen Winds grün eingezeichnet. Beide sind annährend parallel zu einander, die Vorticity bis 3km ist also annährend streamwise, optimal für eine langlebige Superzelle und Tornados. Der Tornadoverdacht/Funnel von Markus spricht dafür, dass die Zelle bei einer weniger gedeckelten Luftmasse durchaus auch tornadogefährlicher hätte sein können. Die verstärkte Scherung im unteren Kilometer ist dabei vermutlich dem low level Jet zuzuschreiben. Dieser bildet sich über der stabilisierten, kühleren Grundschicht durch die fehlende Bodenreibung aus. (Hier nochmal zum nachlesen: Seewetter-Kiel). Die schwache Scherung zwischen 4-8km, was eher für einen HP Charakter der Zelle durch fehlenden Abtransport von Niederschlag sprechen würde, wird durch ein recht flaches CAPE Profil oberhalb von 7km und starken Antransport von Niederschlag oberhalb von 8km kompensiert. Am Ende pegelte sich die Zelle somit bei einer Mischung zwischen HP und Klassisch ein.



    Abschließend also ein günstiges Zusammenspiel vieler Faktoren, welches letztlich zu dieser tollen Zelle geführt hat.

    Herzlichen Dank fürs bis hierher lesen, hoffe es hat euch gefallen. Fragen, Anmerkungen oder Diskussion sind sehr erwünscht :)


    VG

    Anton

    Moin, toller Bericht Markus! Auch super dass es mit dem Livestream geklappt hat!

    Zum Tornadoverdacht: Stelle würde ja ungefähr passen, aber auf der Rückseite haste gerade bei so ner Scherung auch oft mal kleinere okkludierte Aufwinde die zwar rotieren aber an sich uninteressiert an Bodenkontakt sind.
    Was für mich gegen Tornado spricht:

    1) Im letzten Bild sieht man rechts davon ist eine fast identische, symmetrische Absenkung, sieht eher aus wie ein kleiner gesplitteter Aufwind.

    2) Die Zelle sah von vorne völlig uninteressiert aus nen Tornado zu schmeißen. Sprich der RFD lief eher gemächlich nach Süden raus und machte keine Anstalten, sich rumzuwickeln. Auch wenn sich die Okklusion hinter dem RFD vollzieht sollte man von vorne Anzeichen dafür sehen. Von wann war das verdächtige Bild?

    Eine zweitägige Gewitterlage im Ausland, am Wochenende. Diese doch recht selten vorkommende Kombination löst bei mir immer Vorfreude aus. Besonders wenn das Ziel im Raum Südtschechien, Wien oder weiter südlich in Ungarn liegt. Eine Region die in den vergangenen Jahren als regelrechter Hotspot für, mit unter tornadische, Schwergewitterlagen hervorgetreten ist. Beispielhaft seien nur mal der 11.07.2017 (Tornado Wien Schwechat), der 29.08.2020 (Superzelle Lövö Ungarn) oder der 24.06.2024 (Zerstörerischer Tornado bei Hodonin) genannt.




    Synoptik:

    Sowohl am Samstag (08.06) als auch am Sonntag (09.06) sollten sich entlang der SO Flanke der Alpen im Raum Österreich/Ungarn lokale Bodentiefs ausbilden, bedingt durch für die Region typische orografische Effekte und durch synoptischskaligen Antrieb resultierend aus dem nördlich gelegenen Höhentief. Diese Bodentiefs sorgen für Feuchtekonvergenz und eine Erhöhung der bodennahen Windscherung und sind daher für die Bildung von Superzellen unerlässlich. Samstag tendenziell noch weniger dynamisch, Sonntag dann durch einen wieder in die Westwinddrift integriertes Höhentief über Südfrankreich/Ligurischem Meer deutlich dynamischer und mit erhöhtem Tornadopotential. Estofex daher auch am Samstag mit einem lvl 2 und Sonntag mit dem gefürchteten lvl 3. Gefürchtet sowohl für das Schwergewitter- als auch für das Bustpotential.


    08.06.2024:

    Ich starte am 08.06 gegen 7 in Leipzig, grobes Ziel Wien. Auf der Fahrt deutet sich bereits an, dass ich gleich bis Wiener Neustadt muss, dort fängt es bereits zur Mittagszeit über den Alpen an zu quellen. Gegen 14:40 hat sich eine der Zellen bei Wiener Neustadt deutlich verstärkt, grummelt dauerhaft und bildet eine schöne Wallcloud aus. https://kachelmannwetter.com/d…nland/20240608-1240z.html



    Die Zelle intensiviert sich zusehends, jetzt kommen die Erdblitze...teilweise etwas zu nah für meinen Geschmack.



    Der RFD wickelt sich mittlerweile schön um die Basis herum und hinter der RFD Gustfront wird eine verdächtige Absenkung sichtbar. Dort ist auch immer wieder Rotation, allerdings kein eindeutiger Funnel sichtbar.



    Am nächsten Standort und kurze Zeit später präsentiert sich die Zelle wie erwartet sehr HP-ig aber dennoch mit tollen Strukturen.



    Der gewitterrelative Abtransport von Niederschlag in der mittleren Troposphäre ist heute nicht stark ausgeprägt und die Scherung in diesem Bereich eher gering. Im Sounding/Hodographen beträgt die Scherung zwischen 3 und 7km kaum 10kn und der right-mover gewitterrelative Wind zwischen 3 und 7km ist mit max. 15kn auch eher schwach. Im Temperaturbereich zwischen ca. -10 und -20°C (im Sounding also ca. 5-6km) findet aber nun mal die stärkste Niederschlagsbildung über die Mischphase statt (Bergeron Findeisen Prozess). Wird dieser Niederschlag nicht ausreichend abtransportiert i.e. fehlt in diesem Bereich die Scherung oder ist der gewitter-relative Wind zu niedrig ist ein schneller Übergang zum HP Modus oft die Folge.

    Der kräftige Jet in der Höhe ist für den Aufwind kaum relevant, da die Labilität nicht so hoch reicht.

    Noch erwähnt sei die sehr passable Scherung in den low levels, mit über 90° Winddrehung bis 3km und viel storm relative vorticity bis ca 2.5km.



    Auf dem Weg nach Ungarn schwächelt die Zelle nun zunehmend, hier wird die Dynamik schwächer und die Grundschicht zu trocken. Ich besuche noch den Ort bei Lövö wo Sebastian und Ich am 29.08.2020 unsere tolle Superzelle abgefangen haben. Dann gehts weiter nach Szombathely, wo ich mir ein US-Style Motel nehme (https://maps.app.goo.gl/jbw4EDpNVZdppto59) und für nur 25EUR pro Nacht ein sauberes Zimmer mit 3 halbwegs bequemen Betten beziehe :)

    Abends gehts nochmal raus um die zweite Gewitterwelle zu fotografieren die sich langsam aus den Alpen schält.



    Nach einer schönen Blitzshow gehts nun aber endlich ins Motel, wo ich mir auf der Veranda noch ein Sterni schmecken lasse und das Nachtgewitter genieße. Der Plan für den nächsten Tag ist klar, ausschlafen und dann bei Szombathely auf Auslöse warten. Es scheint relativ sicher, das es dort gegen Nachmittag losgeht. Durch das eindrucksvolle Scherungsprofil dürfte jede Zelle schnell superzellulär werden. Tornados sind nicht ausgeschlossen.


    Der Tag beginnt mit einem ernüchternden Anblick. Bei den Gewittern in der ersten Nachthälfte hat es lokal innerhalb von 4h teils 77mm geregnet (https://kachelmannwetter.com/d…me-6h/20240609-0000z.html). Die folge sind über die Ufer getretene Rinnsale, die ganze Felde überflutet haben.


    n


    Ich stehe ein paar Stunden in der Nähe von Szombathely und schaue den Quellungen beim wachsen zu, gegen 16:30 zündet eine Zelle nord-östlich von Graz entlang des Alpenrandes. Ich entscheide mich noch ein Stück nach Westen zu fahren, um die Zelle westlich von Szombathely entgegenzunehmen.

    Die ersten schwächeren, vmtl noch entkoppelten LPs entstehen bereits nördlich der Bodenwarmfront entlang des Alpenrandes.



    Hier mal die Position des Bodentiefs 17 und 18 Uhr grob in die Windanalyse von Kachelmannwetter (https://kachelmannwetter.com/d…-1600z.html)eingezeichnet.



    Sichtbar ist dass die Warmfront bis 18 Uhr noch ein Stück weiter nach Norden vorankommt, dann bleibt sie stationär. Ich befinde mich beim grünen Dreieck, quasi direkt an der Bodenwarmfront. Die Bedingungen für Superzellen sind hier optimal, das Rückdrehen des Windes auf Ost sorgt für mehr streamwise vorticity im unteren 1km, die Feuchtekonvergenz entlang der Warmfront lässt die Taupunkte auf über 20°C steigen. Sobald die isolierte Zelle NO von Graz auf die Warmfront trifft sollte sie nochmal einen ordentlichen push bekommen und vor allem dynamisch deutlich an Intensität gewinnen. So der Plan.



    Noch ist keine Basis sichtbar, hinter dem Dunst wird ein diffuser Aufwindturm sichtbar.



    Die Basis wird am Horizont sichtbar. Ein neuer Aufwind entwickelt sich gerade darüber, die Zelle intensiviert sich noch.



    Die Basis formiert sich zusehends und gewinnt an Breite. Allmählich wird das Dauergrummeln hörbar.



    Mittlerweile steht ein wunderbar gerundeter Aufwindteller vor mir, bereits hier ist deutlich sichtbar wie eng sich der RFD unter der Basis rumwickelt.



    Der Aufwindteller wächst weiter, die Rotation ist sehr markant. Beunruhigt und fasziniert wandert mein Blick immer wieder zu der sehr eng vom RFD umwickelten Wallcloud. Bei dieser klassischen Superzelle scheinen gerade alle Umgebungsparameter optimal.



    Lehrbuchhafter geht es nicht, der RFD wickelt sich immer enger um die Wallcloud, gleichzeitig wird eine kurze und massive Tailcloud sichtbar an der die typischen 'Vorticity-Nudeln' sichtbar werden. Im Video rutscht mir der Satz raus: "In den USA wäre jetzt Tornadozeit, aber hier... ". So ganz will ich es immer noch nicht wahr haben, gleichzeitig ist es aber klar. Diese Zelle wird einen Tornado hervorbringen. Der einzige Unterschied zu den USA ist: Ich stehe ganz allein vor dieser Zelle.



    Hier der Zeitraffer vom Aufzug der Zelle:

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    Und 5min später, gegen 18:50 ist es soweit. Der Tornado ist geboren, zu dieser Zeit hat er Bodenkontakt im ca. 10km entfernten Großpetersdorf auf österreichischer Seite (x.com).



    Der Tricher ist wieder weniger auskondensiert und wieder etwas in die Breite gelaufen. An der Basis ist eher ein flacher diffuser Funnel erkennbar. Plötzlich sehe ich es am Boden, Blätter und Trümmer werden aufgewirbelt. Der Tornado ist am Boden! Zeit ist 18:55.



    Auf der anderen Seite der Baumkette habe ich klare Sicht auf die Basis und den Trichter. Der Tornado hat Bodenkontakt auch wenn er nicht voll auskondensiert ist, Entfernung ca. 2-3km.


    Auf


    Filmen, Fotos, Meldung abgeben, Fluchtroute checken, Zugbahn im Auge behalten - jetzt wird es stressig und ich muss sehr viele Sachen gleichzeitig bedenken. Der Tornado scheint sich derweil zu intensivieren und kondensiert bodennah zum erste mal stärker aus. Lasst euch vom Weitwinkel nicht täuschen, Entfernung hier noch ca 1km.



    Es scheint als driftet der Tornado nach links (süden), ein Effekt der häufig in der Anfangsphase von Tornados während der initialen RFD surge zu beobachten ist. Kurz habe ich Hoffnung, der Tornado würde südlich vorbeigehen und Narda verfehlen. Doch ziemlich genau als dieses Bild entstanden ist macht der Tornado plötzlich eine schnelle Wende nach Norden. Auch das ist nichts ungewöhnliches während die Okklusion des Tornados voranschreitet - aber musste das gerade jetzt passieren??! Entfernung ca, 500m,jetzt nichts wie weg! Einziger Fluchtweg der nicht den Pfad des Tornados kreuzt ist nach Westen Richtung Narda - Ironischerweite noch näher dran, aber aus der Zugbahn raus.



    In Narda orientiere ich mich kurz, ist der Tornado noch am Boden? Ich sehe zwar Blätter wirbeln, bin aber quasi direkt unter dem Trichter der nicht voll auskondensiert ist. Plötzlich bildet sich vor mir, vielleicht 200m entfernt, eine Trümmerwolke, teile von Dächern werden weggerissen und Trümmer fallen vom Himmel. Der Tornado ist noch da - und ich bin viel zu nah dran!


    P1005642.mp4


    Rasch fahre ich noch 500m nach Westen und drehe um, jetzt bin ich aus der Zugbahn und bin weit genug weg. Nach dem kurzen Touchdown ist der Tornado wieder ein nicht auskondensierter Funnel, die Rotation ist nach wie vor da und es fliegen noch Trümmer durch die Luft.



    Der Kontrast durch den Regen ist schlecht und ich muss mich aufs fahren Konzentrieren. Hier ein Kontrastverstärktes Bild der Dashcam. Der Tornado ist nach wie vor da! Nur ist er von Regen umwickelt, schwer zu sehen und zieht auf Szombathely zu.



    Allmählich wird der Funnel kürzer, ich folge der Superzelle weiter Richtung Szombathely.



    Gegen 19:15 dann endlich der Ropeout, ca. 4km vor Szombathely und den nächsten größeren Orten.


    P1005642_1.mp4


    Ca. 25min war der Tornado vermutlich auf dem Boden, die stärksten Schäden dabei in Narda. Ein ungarischer Fernsehbericht hat die Schäden und den Tornado gut dokumentiert, auch wenn man kein Wort versteht scheint klar, dass der Schreck bei den Einwohnern tief sitzt:

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    Am Ende hinterlässt das Chasing bei mir gemischte Gefühle. In den Chasingerfolg mischt sich der unschöne Beigeschmack, dass ein Ort getroffen wurde. Auch wenn glücklicherweise nichts von Personenschäden vermeldet wurde werden die Aufräumarbeiten in Narda sicherlich lange andauern. Besonders gruselig ist für mich die Vorstellung, dass dieser Tornado sich von Narda aus genauso gut weiter hätte verstärken können, und dann rainwrapped Szombathely, eine Stadt mit 78 Tausend Einwohnern getroffen hätte. In einem Land wo es kein Cell Broadcasting vor Unwettern und kein hochauflösendes Dopplerradar gibt...besser nicht drüber nachdenken was hätte passieren können.


    Persönlich nehme ich mit, auch europäische Superzellen ernst zu nehmen und sich dem Tornadopotential jederzeit bewusst zu sein. Für meinen Geschmack kam ich dem Tornado zu nah, was den Straßenoptionen aber vor allem meinem zu langen Ausharren und der plötzlichen Richtungsänderung des Tornados zuzuschreiben ist. Alles in allem ein Tag, der mit in Erinnerung bleiben wird.


    Hier findet ihr einen kurzen Zusammenschnitt von Videos des Tornados von mir:

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    Heute Abend kommt außerdem noch ein 60min Vlog zu den zwei Tagen Chasing auf meinem Youtubekanal online (BeautifulPower - YouTube). Schaut gerne mal rein wenn ihr Zeit und Lust habt.


    Vielen Dank fürs lesen!

    Anton

    Gestern gegen 19:30 bei Neuruppin, die Lichtstimmung war da, zum Tornado reichte es allerdings nicht.


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    Moin Sebastian,

    danke für den ausführlichen Bericht. Hierzulande chased man ja eh eher selten die Superlative, und zu sehr gehypte Lagen sind immer eher stressig. Von daher genieße ich solche spontanen entspannten chasings auch sehr ;)

    Hättest aber ruhig was für Markus, Felix und mich übrig lassen können, wir haben das System später und weiter östlich abgefangen, die nächtlichen MCS Reste waren bei uns weniger ansehnlich ^^

    Stand 17.01.2024 09:45:


    Die voraussichtliche Position der LMG liegt im Vergleich zu gestern wieder etwas weiter nördlich, insbesondere der in den letzten Tagen angesprochene Föhn im Bereich des Vorgtlands und dem westlichen Erzgebirge könnte dafür sorgen, dass Niederschläge am Mittwoch Nachmittag östlich einer Linie Jena - Saalfeld in Schneeregen, Regen oder gefrierenden Regen übergehen. Durch die gefrorenen Böden ist in jedem Fall mit Glätte zu rechnen. Die Neuschneemengen fallen hier dementsprechend geringer aus und liegen zwischen 2 - 10cm.


    Westlich der Linie Jena - Saalfeld werden die Niederschläge mit ziemlicher Sicherheit dauerhaft als Schnee fallen. Ausnahmen Bilden dabei die südlichsten Kreise Thüringens, insbesondere HBN,SON,SOK. Hier ist bis in die Nacht zum Donnerstag mit Regen und gefrierende Regen zu rechnen.


    Wo Niederschläge dauerhaft als Schnee fallen sind bis zum Donnerstag Vormittag flächig Neuschneemengen von 5-15cm, im westlichen Thüringen auch bis 30cm möglich. In Staulagen des Thüringer Waldes werden bis zu 40cm erreicht.


    Kommt gut durch den Tag und seid vorsichtig auf den Straßen.


    /AK

    Stand 16.01.2024 16:00:


    Die voraussichtliche Position der LMG liegt im Vergleich zu gestern etwas weiter südlich:


    In der zweiten Nachthälfte zum Mittwoch bzw. Mittwoch Vormittag bewegt sich die LMG nordostwärts, gegen Vormittag setzen dabei in Thüringen Schneefälle ein. Besonders in Tieflagen wie dem Saaletal ist anfangs auch Schneeregen denkbar. Die S-SO Strömung vor der LMG und eine entsprechenden Überströmung von Thüringer Wald und Erzgebirge scheint weiterhin wahrscheinlich. Die mit der Überströmung einhergehende Durchmischung und teilweise Föhneffekte führen in Mittel-Ostthüringen und in Südsachsen zu leicht positiven Tagestemperaturen (https://kachelmannwetter.com/d…-6std/20240117-1500z.html). Vor allem in Westthüringen bleiben die Temperaturen den gesamten Mittwoch lang unter oder um 0°C.


    Am Mittwoch Nachmittag/Abend gehen die Niederschläge in den äußeren südlichen und südwestlichen Teilen Thüringens in Regen oder gefrierenden Regen über. Im restlichen Bundesland fallen die Niederschläge dauerhaft als Schnee


    Wo Niederschläge dauerhaft als Schnee fallen sind bis zum Donnerstag Vormittag flächig Neuschneemengen von 10-20cm, in Staulagen des Thüringer Waldes auch bis 25cm möglich. In Mittel- und Westthüringen fallen die Schneehöhen durch die anfänglich positiven Temperaturen möglicherweise etwas geringer aus.


    Insgesamt bleiben nach wie vor Unsicherheiten in der genauen Lage der LMG bestehen. Gefrierender Regen in großen Stil dürfte Thüringen aber nach jetzigem Stand erspart bleiben


    Morgen früh folgt ein letztes Update zur Lage. /AK


    Von Mittwoch Vormittag bis voraussichtlich Donnerstag Vormittag gerät Thüringen unter den Einfluss einer wetteraktiven Luftmassengrenze (LMG).


    Stand 15.01.2024 14:00:


    Die meisten hochauflösenden Modelle suggerieren folgenden Ablauf:


    In der zweiten Nachthälfte zum Mittwoch bzw. Mittwoch Vormittag bewegt sich die LMG nordostwärts, gegen Vormittag setzen dabei in Thüringen Schneefälle bei Minustemperaturen ein. Vor der eigentlichen LMG rechnen die Modelle mit Bodenwind aus S-SO und einer entsprechenden Überströmung von Thüringer Wald und Erzgebirge (https://kachelmannwetter.com/d…ittel/20240117-1400z.html).


    Obwohl die eigentliche LMG vermutlich südlich des Thüringer Waldes zum erliegen kommt, wird die mit der Überströmung einhergehende Durchmischung besonders in Mittel-Ostthüringen und in Südsachsen zu leicht positiven Tagestemperaturen führen (https://kachelmannwetter.com/d…ratur/20240117-1400z.html).


    Hier werden die Niederschläge im Tagesverlauf in Regen übergehen. Das würde zu insgesamt geringeren Schneehöhen, aber auch zu einer Entschärfung der Glatteisgefahr in diesen Regionen führen, da die Durchmischung die bodennahe flache Kaltluftschicht erwärmen würde.


    Nördlich einer Linie Erfurt - Gera - Dresden bleiben die Temperaturen den gesamten Mittwoch lang unter oder um 0°C. (https://kachelmannwetter.com/d…ratur/20240117-1600z.html). Insbesondere in diesem Übergangsstreifen ist die Glatteisgefahr erhöht, da der Schnee aus höheren Luftschichten in einer flach über dem Boden eingeschobenen Schicht aus warmer Luft schmilzt, und dann bei negativen 2m Temperaturen am Boden wieder gefriert.


    Weiter nördlich ist der Warmlufteinschub in der Höhe schwächer und Niederschläge fallen den ganzen Mittwoch über als Schnee. Wo Niederschläge dauerhaft als Schnee fallen sind bis zum Donnerstag Vormittag flächig Schneehöhen von 10-15cm, in Staulagen des Harzes auch bis 30cm möglich (https://kachelmannwetter.com/d…oehen/20240118-1200z.html). Weiter südlich, wo Niederschläge am Mittwoch Nachmittag in Regen übergehen, wird mit einer Südwärts Verlagerung der LMG wohl ab der ersten Nachthälfte von Mittwoch auf Donnerstag wieder Schnee fallen. Dort sind bis Donnerstag Vormittag 5-7cm zu erwarten.


    Insgesamt bleiben bis wenige Stunden vorher Unsicherheiten in der genauen Lage der LMG bestehen. Bewegt sich die LMG weiter nach Norden könnten am Mittwoch Niederschläge in gesamt Thüringen in Regen übergehen. Liegt die LMG weiter südlich bleibt es frostig, aber die Schneefälle beschränken sich auf südliche Teile Thüringens.


    Updates folgen. /AK

    Ja denke auch dass an dem Spot die OB von der anderen Zelle reingespielt hat. Glaube aber dass die Zelle schon noch lange gut aussah. Selbst in Berlin hatteste noch ne nice mehrstöckige Shelf, aber dran bleiben war da echt unmöglich.


    Synoptische Lage:

    Der 24.07.2023 brachte uns eine klassische Low-Cape High-Shear Gewitterlage mit viel Hebungsantrieb. Das führt in unseren Breiten erfahrungsgemäß am ehesten zu ansehnlichen Gewittern. Entlang einer schleifenden Kaltfront bildete sich gegen Mittag ein Bodentief und m Zuge dessen ein Gewitterkomplex. Dieser zog von der Deutsch-Belgischen Grenze bis nach Polen, getrieben durch einen markanten Höhentrog und unterstützt durch die Hebung im Bereich unter dem linken Jetausgang. Der Gewitterkomplex bewegte sich entlang einer bodennahen Windkonvergenz von NW und SW Wind (https://kachelmannwetter.com/d…htung/20230724-1500z.html hier gut im Bereich Magdeburg zu sehen). Und hier das interessante daran: Die feuchte Luftmasse lag nicht auf der Südseite der Konvergenz in der SW Strömung, sondern auf der Nordseite in der feuchteren NW Strömung (https://kachelmannwetter.com/d…punkt/20230724-1500z.html hier schön an den Taupunkten zu sehen). Der Bereich nördlich der Konvergenz war ca. 4°C kühler als der südliche Bereich, der Taupunkt dafür 4°C höher. Zudem war dieser kühlere Bereich schwach gedeckelt. In diesem schmalen Streifen fanden sich ca 800 J/kg CAPE kombiniert mit 60km DLS und SRH >150 m^2 s^2. Die Zuggeschwindigkeit der Zellen würde allerdings bei >60km/h liegen, das ist schon ne Hausnummer. In Modell-Hodographen des ID2 (kann ich hier leider nicht zeigen) sieht man dementsprechend einen Haufen streamwise Vorticity bis 3km und ca 20-25kn storm-relative Inflow. Das Setup ist schon ziemlich perfekt, und der bereits seit Stunden existierende Gewitterkomplex bewegt sich direkt in diese Luftmasse hinein. Zusätzlich lösten vorlaufend erste kleinere Zellen aus und bewegten sich schnell nach Osten (https://kachelmannwetter.com/d…oerde/20230724-1540z.html). Diese verbrauchten praktisch nichts von der Energie der Luftmasse, erzeugten jedoch durch ihre nach Westen laufende Outflowboundary zusätzlich eine gewitterrelative Windkomponente (und noch mehr Grundschichtfeuchte).


    Chasingbereicht:

    Ich positionierte mich gegen 17:40 bei Wanzleben und hatte einen schönen Blick auf die abziehenden Zellen. Gut zu sehen wie niedrig die Wolkenoberkante dieser Zellen ist:



    Von Westen her nähert sich schnell der Gewitterkomplex, durch die Nähe zum Radarstandort Ummendorf ist das Radarbild leider schwer zu interpretieren. Optisch schält sich allerdings schnell etwas aus der blauen Pampe heraus, Zeit ist 17:57



    Die Struktur entwickelt sich so schnell, dass ich kaum Zeit habe es so schnell zu realisieren. Zeit hier ist 18:02, vergleicht mal die Änderung innerhalb von 5min. Dass das eine absolut brachiale Superzelle ist habe ich allerdings schnell Begriffen. Schön zu sehen ist die massive RFD Shelf (links) und der langgestreckte Inflowtail im Bereich des FFD (rechts). Mittig ist deutlich die abgesenkte Wallcloud zu sehen.



    Ich frage mich zunehmend ob ich nicht falsch abgebogen und in den Great Plains gelanden bin. Zeit ist 18:07, wieder 5 min später. Noch nie ist eine Zelle so schnell auf mich zugerast und hat zeitgleich so ihr Aussehen verändert.



    18:09, also gerade mal 2 min später, steht die mehrschichtige Aufwindschraube direkt vor mir. Versetzt euch mal in dieses Bild hinein, aber nicht aus Sicht eines Weitwinkelobjektivs sondern mit eurer augeneigenen Brennweite. EInfach nur eine riesige weiße Wand soweit das Auge reicht.



    18:11, davor bleiben wäre absolut sinnlos. Ich genieße die letzten Minuten bevor mich der Kern überrollt.



    Der Kern ist kurz und heftig, schwere Sturmböen peitschen Regen und kleinen Hagel gegen mein Auto. Nach wenigen Minuten ist allerdings auch dieser Spuk vorbei. Ein echtes High-Speed Chasing mit meinem persönlichen Strukturhighlight in Deutschland.


    Hier noch der Link zum Video:

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    Danke fürs lesen!


    Anton

    Der 20.06.2023 bescherte eine eher diffuse Gewitterlage mit wenig Hebungsantrieb. Gewitterauslöse war fraglich. In einem schmalen Streifen, entlang einer bodennahen Konvergenz aus trockener SW-Strömung und feuchtem NO Wind waren durch die ausgeprägte Feuchtekonvergenz lokal CAPE-Werte um 2000 J/kg verfügbar (https://kachelmannwetter.com/d…hicht/20230620-1500z.html). Die Konvergenz resultierte aus der Outflowboundary eines zuvor durchgegangenen konvektiven Systems und wurde im Tagesverlauf durch eine diffuse Tiefdruckrinne (Hitzetief) verstärkt. Auf der Nordseite der Konvergenz drehte der bodennahe NO Wind (10kn) auf SW Wind in 2km Höhe (20kn). Die aus der starken Rechtsdrehung und leichten Geschwindigkeitszunahme resultierende effektive Scherung resultierte in viel streamwise Vorticity in den unteren 2km und erhöhter Helizität von lokal 200 m2/s2. Kombiniert mit 30kn effektiver DLS und den CAPE Werten herrschten lokal also gute Bedingungen für Superzellen. Der große Knackpunkt der Lage war allerdings die fehlende synoptische Hebung, weshalb es die Gewitter schwer hatten. Denn trotz der lokal hohen CAPE Werte waren die Lapserates in der mittleren Troposphäre eher klein und die Temperaturschichtung eher feuchtabiabatischer Natur. Es würde also etwas Hebung benötigen und diese entsprechend zu labilisieren. Getrieben durch einen subtilen Kurzwellentrog bestand in den frühen Mittags und Nachmittagsstunden noch die beste Chance auf die ein oder andere isolierte Auslöse. Erste Zellen bildeten sich bereits gegen 12 Uhr. 13 Uhr nahm ich auf höhe des Hermsdorfer Kreuzes die sich verstärkende östliche Zelle ins Visier. Die Dashcam (Noch in Winterzeit) zeigt die Rückseite der Zelle gegen 13:10, die Quellung ist zwar gesund, hat aber noch einen "congestusartigen" look und ist nicht sehr hochreichend. (https://kachelmannwetter.com/d…/gera/20230620-1110z.html)



    Nach einem kleinen Corepunsh stand ich auf der Vorderseite der Zelle, diese nach wie vor noch eher unorganisiert, aber schön am grummeln.



    Dieser Entwicklung ging auf Höhe von Schmölln allerdings schnell die puste aus, und während ich mich noch über die sogenannte Bundesstraße zurück durch Schmölln kämpfte entstand bei Jena eine weitere Zelle. Diese meinte es scheinbar ernst(er), denn der Eisschirm wirkte optisch deutlich kräftiger und die Quellung deutlich höher. Ich positionierte mich nahe Gera nördlich der A4 um die Zelle auf mich zuziehen zu lassen. Gegen 14:30 (https://kachelmannwetter.com/d…/gera/20230620-1230z.html) konnte ich von meinem Standort aus eine Recht tiefe Wolkenbasis erkennen. Darüber bildete sich soeben ein neuer Aufwind aus. Das ganze sah recht gesund und vielversprechend aus, der Wind wehte mittlerweile mäßig aus NO direkt auf die Zelle zu. Ich vermute, dass eine zurückgebliebene Outflowboundary der ersten entstandenen Zelle den zusätzlichen "push" für diese zweite, stärkere Entwicklung lieferte.



    Besonders in diesem Zeitraum wirkte die Wallcloud der Zelle sehr dynamisch, an der Basis deutet sich ein RFD Cut an und kurzzeitig hatte ich den Verdacht dort einen Funnel zu beobachten. Dazu gerne auch nochmal den ersten Teil des unten gezeigten Zeitraffers anschauen. Dort wird die verstärkte Rotation an der Wolkenbasis im Bereich der Wallcloud sichtbar.



    Die Zelle zieht unter Verstärkung weiter auf meinen Standort zu. Die Tailcloud ist zu diesem Zeitpunkt besonders schön ausgebildet und züngelt in den FFD. Das Dauergrummeln nimmt zu.


    <


    Je näher die Zelle kommt, desto schöner strukturiert sich der Aufwindteller. Die Tailcloud verliert allerdings Kontakt zum FFD.



    Direkt vor mir zeigt sich die Zelle nochmal in voller Pracht.



    Daraufhin zerfiel die Zelle sehr schnell.


    Und hier der Link zum gesamten Chasingvideo mit Zeitraffer:

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    Also in diesem Bowecho mit gemessenen Böen >130km/h sind "straight line wind" Sturmschäden ja zu erwarten. Für einen Tornadoverdacht sehe ich ehrlicherweise auch erstmal keine Indikation, weder im Doppler noch in der synoptischen Lage. Das Folding im Doppler Radar legt nahe, dass die maximale Dopplergeschwindigkeit von 115km/h überschritten wurde in dieser Region : https://kachelmannwetter.com/d…5grad/20230621-0755z.html (Die Bereiche mit Folding sind jene orangen Flecken im ansonsten hellblauen Bereich. Diese sind auch mit weißen Punkten überlegt, als Indikation, dass Folding wahrscheinlich ist.)
    Dabei darf man allerdings nicht den Fehler machen und das mit einem DiPol verwechseln. Folding entsteht vereinfacht gesagt dadurch, dass die maximale Dopplergeschwindigkeit überschritten wird die ein Dopplerradar aufgrund seiner Funktionsweise besitzt. Bei einem Dopplerradar wird die Geschwindigkeit über die Phasenverschiebung zwischen gesendetem und empfangenen Signal gemessen. Überschreitet diese Phasenverschiebung den Wert von 2pi (i.e. überschreitet der Wind die maximale Dopplergeschwindigkeit) dann "rutscht" die Messung beispielsweise von einem stark positiven zu einem stark negativen Wert. Das ist in diesem Fall natürlich keine reale Messung, manchmal wird sowas aber vom ungeübten Auge oder von Rotationsdetektionsalgorithmen als Rotation detektiert :)

    Der Hodograph für Meiningen zeigt schöne Low Level Shear. Die Vorticity ist allerdings nicht komplett streamwise, sturmrelativ gesehen. Die Inversion in 750 hPa ist allerdings offenbar sehr hinderlich momentan für . Das CAPE in den unteren 2.5km ist kombiniert mit der ordentlichen LLS auf jeden Fall zuträglich für eventuelle tornadische Aktivität an Zellen die den Deckel in 750hPa knacken. Sounding Plots in diesem Design findet ihr hier: Sounding Plotter

    Hallo Zusammen,


    am 14.09.2022 fuhren Marco und ich sehr spontan in Richtung Nordbayern/Franken, um eine recht interessantes Mid-September Setup zu chasen. Ausgangslage war eine gut ausgeprägte Luftmassengrenze über Mitteldeutschland, an der sich immer wieder kleinere Wellenstörungen ausbildeten.



    Entlang der LMG herrschte bereits initial etwas erhöhte Low Level Shear mit 15-20kn und SRH mit 100-200 m2/s2, außerdem lagen die Wolkenbasen durch den vorangegangenen Regen praktisch auf Bodenniveau. Energie war recht wenig vorhanden, aber für ein paar konvektive Zellen würde es reichen. Marco und ich entschieden uns für ein Gespann aus mehreren Zellen, welches sich mit einer Konvergenz langsam nach Südosten verlagerte (Radar HD+, Regenradar vom 14.09.2022, 19:00 Uhr - Schweinfurt | Wetter von kachelmann.). Die Scherung war mit bloßem Auge deutlich sichtbar, während über uns der tiefe Stratus aus SW auf die Zelle zuströmte, bewegte sich der abgesenkte Bereich langsam auf uns zu. Immer wieder kam es zu kleineren Verwirbelungen. Unser Standort hier war leicht oberhalb von Erbshausen-Sulzwiesen.



    Gegen 19:00 überquerte uns die Konvergenz, entlang der Wolkenkante wurde es zunehmend interessant.


    (Quelle: Live-Wetteranalyse für Deutschland, Feuchtefluss in Bodennähe (10^-7/s) | SuperHD (Mesoanalyse) | Wetter von kachelmann.)


    Offenbar bildete sich entlang der Konvergenz, unterstützt durch erhöhte Feuchtekonvergenz, ein neuer kleiner Aufwind der schnell begann zu rotieren (Auch sichtbar in den Doppler Sweeps Doppler-Sweeps vom 14.09.2022, 19:00 Uhr - Offenthal (Ost) | Wetter von kachelmann.). Die Wolkenbasis senke sich zunehmend, und erste kleine "Vorticity Noodles" wurden sichtbar. Die Zirkulation wickelte sich ein, Marco und ich befanden uns zu dieser Zeit im "RFD", also im relativ sicheren Bereich hinter der Rotation und konnten diese ungestört beobachten. Die Rotation wuchs schnell zu einem weit zum Boden kondensierten Funnel, darin wurden zeitweise "Suction Vorticies" sichtbar - kleine schnellere Rotationen innerhalb der Hauptrotation. Im Folgenden das gesamte Video der Tornadogenese leicht beschleunigt. Wir schauen zu diesem Zeitpunkt von Erbshausen Richtung Bergtheim (der Kirchturm des Dorfs ist unten rechts zu sehen)


    P1360670.mp4


    Und hier nochmal Marcos Video in Originalgeschwindigkeit mit unseren Audiokommentaren :D


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    Nachdem sich der Funnel abschwächte, bewegten wir uns weiter Richtung Osten, um die Zirkulation weiter zu beobachten. Dabei hatten wir einen tollen Blick auf den eingedrehten Aufwind (Siehe Marcos Video). Die Bodenkonvergenz war immer noch deutlich ausgeprägt, aber die Zelle schwächelte zunehmend. Es wurde auch langsam dunkel und eine Suche nach Schäden gestaltete sich schwierig, da der anhaltende Regen sämtliche Feldwege in Mudroads verwandelt hatte.


    Alles in allem bleibt nur zu sagen - was für ein spannendes Chasing (und das Mitte September! ).

    Danke für die Ergänzung deines Zeitraffers. Ich denke orografisch spielte der westliche Thüringen Wald bzw das Eichsfeld besonders in der Entstehung eine Rolle.

    Flach war diese Superzelle in dem Sinne, dass die Rotation besonders auf die unteren 3km oder so begrenzt war. Sieht man ja auch schon dass der obere Bereich des Aufwindes nur wenig Rotation zeigt. Die Aufwinde waren dabei aber trotzdem sehr hochreichend, also in dem Sinne Low Topped war sie nicht.