01.07.2020 | TH, ST, SA | Gewitterlinie, Superzelle und Gewitter zur blauen Stunde

  • Am 1. Juli ging es dieses mal mit Marco & Markus auf Gewitterjagd durch Mitteldeutschland. Insgesamt ein sehr eindrucksvoller Tag inklusive leichtem Plains-Feeling. ;)


    Für die Lagebetrachtung verweise ich wieder auf den Live-Thread: 2020-07-01/02 GEWITTER Im Grundprinzip war das anfangs etwas undurchsichtige Setup zum Nachmittag halbwegs geklärt, Super HD bzw EZ4 passten optimal zur Ausgangslage um 15:30: Radar HD+, Regenradar vom 01.07.2020, 15:30 Uhr - Deutschland | Wetter von kachelmann.


    Es intensivierte sich langsam aber stetig eine Gewitterlinie über NRW die, beiden Modellen nach, recht einheitlich zum späteren Nachmittag Sachsen-Anhalt erreichen sollte. Wir spekulierten hierbei nicht nur auf die Linie selbst, sondern auch auf vorlaufende Zellen.


    Nachdem der organisatorische Teil durch war, machten wir uns ca. gegen 15:30 von Arnstadt aus auf den Weg nach Sangerhausen. Erste Position zur weiteren Lagebetrachtung bezogen wir an der A38 südlich von Nienstedt. Die ersten Quellungen Richtung NW waren langsam zu sehen, dennoch blieb es vorerst sehr verhalten. Wir hatten genug Zeit um noch etwas zu entspannen und hin und wieder das Radarbild zu prüfen. Relativ erwartungsgemäß entwickelten sich zu dieser Zeit noch keine einzelnen Zellen über Nordthüringen / dem südlichen Sachsen Anhalt.




    Etwas später ging es dann erstmal weiter nach Norden, grobes Ziel: Bernburg.


    Einen ersten Positionierungsversuch starteten wir gegen 17:30/45 Uhr bei Staßfurt (Hohenerxleben), dieser scheiterte jedoch an den wirklich schlecht ausgebauten und teilweise blockierten Nebenstraßen / Feldwegen. Nebenbei hielten wir immer mal wieder Rücksprache mit Anton Koetsche & Andre über Discord, Anton hatte sich derweilen bei Dessau bereit gemacht.


    Etwas weiter nördlich passte es dann jedoch sehr gut und wir konnten etwa zwischen Borne / Bördeland Stellung beziehen. In der Ferne war dann bereits nach recht kurzer Zeit ein grober Umriss der aufziehenden Linie zu sehen. Umso näher sie kam desto deutlicher wurde die Böenwalze:




    Unter genauer Beobachtung...




    Mittlerweile entstanden vor der Linie auch die ersten kleineren Zellen. Anhand einer Zelle die im Verlauf quasi direkt über Magdeburg zog, konnte man auch direkt nachvollziehen welches Potenzial die Gewitterlage grundsätzlich zu bieten hatte.




    Ein strukturierter Aufbau & leichte Rotation waren recht schnell zu erkennen, es fehlte jedoch einfach noch etwas mehr Antrieb. Zusätzlich war die Zelle langsamer als die bereits herannahende Front, zum verfolgen fehlten obendrein auch passende Straßen. Radar HD+, Regenradar vom 01.07.2020, 18:45 Uhr - Börde | Wetter von kachelmann.




    Die Linie wirkte insgesamt recht turbulent und nicht wirklich schön organisiert. Das Spiel mit den Lichtstrahlen vor und hinter den Gewittern war dennoch recht nett anzusehen. Praktischer Weise verbesserte sich die optische Wirkung aber quasi auf unserer Höhe noch etwas.




    Da wir quasi vollständig außerhalb des Niederschlagsfeldes standen konnten wir den Durchzug komplett verfolgen. Der noch etwas besser aufgebaute Teil befand sich leicht weiter Richtung Norden und war nicht direkt in unserem Sichtbereich.


    Radar HD+, Regenradar vom 01.07.2020, 19:10 Uhr - Börde | Wetter von kachelmann.


    RadarHD-Stormtracking vom 01.07.2020, 19:15 Uhr - Börde | Wetter von kachelmann.


    Blick Richtung SSW:



    Einmal vorbeigezogen machten wir uns dann recht schnell wieder auf den Weg nach Süden, dort waren im Raum Quedlinburg / Halle weitere Zellen entstanden.


    Radar HD+, Regenradar vom 01.07.2020, 19:30 Uhr - Sachsen-Anhalt | Wetter von kachelmann.


    Ein kurzer Stopp beim Blick in die Rückseite der Linie war trotzdem noch Pflicht.




    Den ersten Ausblick auf eine der Gewitterzellen gab es von der Autobahn aus in etwa bei Alsfeld/Plötzkau.



    Einmal am Niederschlag vorbei und…




    Wir hatten mit einigem gerechnet, nach den aber erst eher spärlichen Entwicklungen hatten wir hier direkt eine Superzelle mit tiefhängender Wallcloud vor uns. Bei Könnern ging es von der A14 runter und wir bezogen knapp oberhalb der Kleinstadt Position.






    Ein unbeschreiblicher Anblick, es passte natürlich genau in die High-Shear Lage, dennoch war es schon eine ziemliche Überraschung.




    Dazu noch ein Zeitraffer von Markus:

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    Das Sonnenlicht ragte am frühen Abend auch schon leicht in den Aufwind hinein, somit gab es auch noch ein nettes Farbenspiel.


    Kurz nach 20 Uhr erreichte uns der Niederschlag, wir positionierten uns süd-östlich an der Abfahrt Löbejün nochmal und hatten kurzzeitig einen guten Ausblick auf die Wallcloud bevor uns der RFD erfasste.





    Weiter über die A14 platzierten wir uns bei Halle-Oppin. Hier noch eine der schönsten Sichten des Tages, das Abendlicht ragte jetzt schon recht weit in den Niederschlag hinein und beleuchtete auch die Wolkenbasis gut.





    Östlich von Leipzig schauten wir dann noch dem Abzug der Zelle und einigen weiteren Quellungen nach, außer 2-3 Naheinschlägen während der Fahrt blieben uns dann aber die Blitze verwehrt. (Wie sollte es auch anders sein… ;) )



    Es war mittlerweile schon ein gutes Stück nach 21 Uhr, Zeit für eine Pause und ein mehr oder weniger abschließendes Telefonat mit Anton Koetsche .


    Letzter Standort des Tages war dann Nempitz an der A9, hier bewegten sich noch ein paar kleinere Gewitterzellen die relativ freistehend am Himmel zu sehen waren. Der entscheidende Blitz kam natürlich gerade bei der Stellplatzsuche. ^^ Trotzdem war es ein schöner, ruhiger Ausklang für diesen Tag und die Gewitterjagd. Zur blauen Stunde / im Mondlicht war das schon ein ganz nettes Schauspiel.




    Nach den einzeln stehenden, teilweise Superzellen des Tages, hatte man schon wirklich fast das Gefühl ein kleines Stück Plains-Feeling nach Deutschland bekommen zu haben. Bei Nempitz dann auch passend noch ein Wasserturm und eine etwas auf US Fast-Food getrimmte Tankstelle...


    Die Chance auf eine freistehende Zelle in diesem Licht inkl. Erdblitz, Red Sprite, Jet, NLC´s im Hintergrund und Glühwürmchen (für eine interessante Atmosphäre im Vordergrund) blieb leider aus. :( ;)


    Etwa gegen 22:30 ging es dann auf die Rückfahrt, die von Westen eintreffende 2. Welle war (in dem Fall leider wie erwartet) recht schwach und damit eher uninteressant.


    Kurzes Fazit:


    Insgesamt lief ein Großteil des Tages so ab wie geplant, die Entstehung von Gewittern wurde bis zum Nachmittag verhindert was letztendlich natürlich sehr förderlich war. Die Positionierung / Navigation war gut und ich denke wir konnten uns als Gruppe sehr gut organisieren. Die Superzelle bei Könnern war definitiv ein Fall von “zur richtigen Zeit am richtigen Ort”, manchmal muss das Glück der Planung dann eben auch ein bisschen nachhelfen.


    Recht auffällig war, das viele der Gewitter aufgrund des “flachen” Aufbaus in den meisten Fällen fast nur Wolkenblitze produzierten, die darüber hinaus auch nach außen nur recht selten zu sehen waren.


    Abschließend: Eine hervorragende Jagd ohne viel hin und her, die richtigen Zellen zur richtigen Zeit, im passenden Licht. Vielen Dank an der Stelle einfach nochmal an Marco & Markus , definitiv ein “Abenteuer” das nach Wiederholung verlangt. :thumbup::gewitter

  • Eine solch dynamische Lage war lange überfällig in 2020! Ein gelungenes Chasing, das nach Wiederholung schreit. Schön, dass wir dich noch rechtzeitig einsammeln konnten!


    Anmerkung zum Gewittertyp: es war wenn überhaupt eine klassische Superzelle. Strukturell spricht alles dafür. Beim LP-Typ (also durch "low precipitation" gekennzeichnet) würde der Aufwindturm maßgeblich freier stehen - ohne einen derart ausgeprägten Starkregenbereich, den wir ja bei unserer Flucht südwärts kurz zu spüren bekamen. Auf dem Radar war der Niederschlagskern auch deutlich zu sehen.


    Viele Grüße

    Marco


    PS: Ich melde mich mit meinen Bildern und weiteren Gedanken nächste Woche.

  • Felix L.

    Hat den Titel des Themas von „01.07.2020 | TH, ST, SA | Gewitterlinie, LP-Superzelle und Gewitter zur blauen Stunde“ zu „01.07.2020 | TH, ST, SA | Gewitterlinie, Superzelle und Gewitter zur blauen Stunde“ geändert.
  • Anmerkung zum Gewittertyp: es war wenn überhaupt eine klassische Superzelle. Strukturell spricht alles dafür. Beim LP-Typ (also durch "low precipitation" gekennzeichnet) würde der Aufwindturm maßgeblich freier stehen - ohne einen derart ausgeprägten Starkregenbereich, den wir ja bei unserer Flucht südwärts kurz zu spüren bekamen. Auf dem Radar war der Niederschlagskern auch deutlich zu sehen.

    Das ist richtig - und gerade die Radarmerkmale haben den klassischen Typ auch noch einmal ggü der LP belegt. Die LP ist ja eher durch weniger Reflektion gekennzeichnet, was hier nicht der Fall war. Außerdem konnte man schön ein V-Notch erkennen. Der FFD hatte ebenfalls für eine LP im weiteren Verlauf zu viel Niederschlag.


    Die erste Bezeichnung als LP war auch durch mich ausgegangen, was aber falsch war. Einmal mehr nachschauen und Radardaten vergleichen hat geholfen. Janek bestätigte auch noch einmal den mehr klassischen Mode, meinte aber auch es wäre ein Grenzfall zur LP.


    Lupenrein ist es hier in Deutschland eben nicht so einfach mit der Bestimmung. Zu oft gibt es flache, rotierende Zellen, die verschiedene Stadien/Kategorien durchlaufen und gar als "Hybride" bezeichnet werden können. Klar, eine HP erkennt man da besser. Die klassiche Einordnung aus den Staaten ist für diese Grenzfälle dann eben schwierig - aber eben auch wieder interessant.


    LG

    1. Vorsitzender Thüringer Storm Chaser e.V.
    ESSL Voluntary Observer Person (Qualitätslevel QC1) (European Severe Storms Laboratory)
    Weitere Mitgliedschaften: Member of AMS Weatherband · Premium Advanced Spotter (Skywarn Deutschland e.V.) · Arbeitskreis Meteore e.V.