Hallo zusammen,
da unsere Jungs & Mädels aus den USA sich allmählich auf dem Rückweg befinden, bringen sie neben guten Bildern offenbar auch entsprechendes Wetter mit. Nicht umsonst gibt es ja die Theorie, dass jeder Trend aus den USA irgendwann zu uns nach Europa herüberschwappt - auch beim Wetter!
Großwetterlage
Die Ausgangslage hatte sich ja irgendwie bereits mit der Umstellung der Großwetterlage pünktlich zum meteorologischen Sommerbeginn (01. Juni) angedeutet. Nur war es eben in der vergangenen Woche vorwiegend der Westen Deutschlands, der mitunter in den Genuss mehrerer blitzreicher Gewittersysteme kam, während der Osten vielfach in großer Hitze ohne besondere Abkühlung brütete. Die Ausläufer der Gewitter erreichten uns zwar - jedoch meist nur in abgeschwächter Form (letzten Montag), übergingen weite Teile des Bundesgebiets (Donnerstag) oder beglückten dann in vereinzelter Form doch einige (Freitag).
In jedem Fall fällt auf, dass das Wetter so gleich völlig andere Züge aufweist, als noch im Mai. Das liegt in erster Linie an einer geänderten Lage des Jetstreams, die im Mai vorwiegend über Mitteleuropa eine Ausbuchtung nach Süden aufwies und damit häufiger eine Troglage induzierte, die polare Kaltluft mit sich brachte. Nun hat sich diese charakteristische Ausbuchtung im Juni jedoch vor die Atlantikküste verlagert und somit weist der [definition=53,0]Jetstream[/definition] über Mitteleuropa nach Norden: Wir haben die klassische Vorderseite, die im Sommer für warme bis heiße Temperaturen bei uns sorgt.
Im Gegensatz zu letzter Woche rückt der [definition=61,0]Langwellentrog[/definition], der zunehmend zum "Cut Off" wird, noch etwas nach Westeuropa, sodass sich die Dynamik auch nach Osten zu prinzipiell etwas verstärken dürfte. In der Höhenwetterkarte wird zunehmend ein Omega erkennbar, d.h. die Großwetterlage kann als recht stabil bezeichnet werden. Bis zum Montag dreht die Höhenströmung dann voll auf Süd zurück.
Luftmassen, Scherungsparamter und Bodenwetterkarte
Im Detail zeigen sich nun die Unterschiede zur letzten Woche. Nach einer angenehm kühlen Nacht beginnt bereits morgen am Sonntag die Rückdrehung auf südwestliche Höhenwinde und es wird wieder eine sommerlich warme Luftmasse herangeführt. Vor allem in der ersten Tageshälfte verbleiben wir dabei unter dem Einfluss eines Zwischenhochs und es bleibt freundlich. Zum Abend nimmt die Bewölkung zu - es zieht eine klassische Warmfront auf, die die am Montag wetterbestimmende Luftmasse heranführt. Inwieweit diese am Sonntagabend und in der Nacht zum Montag (kräftigen) Regen bringt, ist noch nicht abschließend geklärt. Das hochauflösende Super HD zeigt in einem schmalen Streifen von BaWü bis MV / BRB markante Regenmengen, teils über 30mm! Einzelne Warmlufteinschubgewitter sind auch nicht vollkommen auszuschließen.
Entscheidend wird dann - neben einigen anderen Faktoren - sein, wie schnell sich die Restbewölkung am Montag auflösen wird. Für die Auslöse dürfte die Einstrahlung eine wichtige Rolle spielen. Von Bayern her sollte sich ab dem Mittag der Himmel über Sachsen und Ostthüringen lichten. Dann können nach aktuellen Schätzungen am Abend bis zu 2.500 J/kg ML-CAPE aufgebaut werden mit den höchsten Werten in Ostsachsen. Im Detail sollte die Qualität der Luftmasse aber dann noch einmal im Nowcast (Temperatur- und Feuchteverhältnisse, Lapse Rates) bestimmt werden. Hilfreich dürften die Soundings aus München und Kümmersbrück werden, bedingt auch Prag, Meiningen weniger.
Das Zünglein an der Waage - also was die Sache besonders spannend macht - dürfte das Leetief sein, welches tagsüber nördlich der Alpen entsteht und zum Abend mit der südlichen Höhenströmung nach Norden wandern soll. Es sorgt an seiner Nordflanke bodennah für Ostströmung, wodurch recht großflächig ein sehr interessantes Windprofil ensteht ([definition=89,1]Veering[/definition]). DLS könnte auf weit über 20m/s steigen, die SRH-Werte überschlagen sich fast und schießen in hierzulande kaum gekannte Höhen von 400 oder gar 500 m²/s² (laut modellzentrale.de).
Das Bodentief mit der energiereichen Luftmasse.
Derbe Scherungsparameter.
Zum späten Abend rechnet GFS dann auch zunehmend mit einer Verstärkung des Low Level Jets. Wolkenuntergrenzen würden nach meiner ersten Einschätzung auch passen, sodass die Gefahr von (starken) Tornados erhöht wäre.
Zellmodus und Gefahren
Der direkte Output simulierter Zellen hängt natürlich stark von den zugrundeliegenden Parametern ab. Da ist es zwei Tage im Voraus recht schwierig, eine genaue Prognose abzugeben. Einige Karten sind jedoch von äußerster Brisanz, wie beispielsweise die Tornadoparameter...
https://kachelmannwetter.com/d…param/20190610-1700z.html
... oder SZ-Composite-Parameter...
https://kachelmannwetter.com/d…param/20190610-1700z.html
Janeks WRF lässt, zunächst nur beispielhaft zu sehen, äußerst rotationsfreudige Superzellen zu:
Zum letzten mal sah ich so etwas vor dem 01.08.2017. Der Rest der Geschichte war (unverständlicher Weise) für einige Storm Chaser offenbar wenig befriedigend.
Wie dem auch sei - natürlich wäre hier das gesamte Spektrum der Unwetterpalette möglich: Starkregen, schwere Sturmböen, großer Hagel / Riesenhagel und eben auch Tornados.
Im weiteren Verlauf würden sich die diskreten Superzellen dann zu mesoskalig-konvektiven Systemen ([definition=74,1]MCS[/definition]) zusammenschließen, die äußerst blitzaktiv sein dürften. Die Gefahren dürften sich dann in Richtung schwere Sturmböen, Starkregen mit Überflutungsgefahr und zu Beginn auch noch Hagel verlagern.
Zumindest nach aktuellem Stand dürfte estofex.org hier Lila (Level 3) zücken.
Timing, Lokalität, Unsicherheiten
Wie bereits angesprochen ist es zwei Tage vor dem Ereignis noch viel zu früh, um die Regionen und das Timing genauer einzugrenzen. Wie die Erfahrung lehrt, ist bei diesen Hochrisiko-Lagen auch die Flopp-Gefahr am größten. Ändert sich ein Parameter, kann die ganze Lage hinfällig werden / sich hinsichtlich Storm Mode, Region, etc. verschieben.
https://twitter.com/JZ_Lpz/status/1137386079974281217
Aktuell lässt sich nur sagen, dass irgendwo zwischen Mitteldeutschland und Westpolen, aber auch beispielsweise in Bayern, die Wahrscheinlichkeit für extreme Unwetter stark erhöht ist. Zeitlich ist dabei der Zeitraum vom späten Nachmittag bis in die Nacht zum Dienstag relevant, mit dem Schwerpunkt am späten Abend. Tendenziell hatten die hochauflösenden Modelle heute eine leichte Westverschiebung drin inkl. Ausdehnung nach Norden
Morgen Abend bleibt zu klären:
- ob nach wie vor Auslöse berechnet wird
- welche Rolle die Restbewölkung (und Restfeuchte) der Warmfront übernehmen wird
- ob die Modelle die Regionalisierung einheitlich sehen
Eine Vorabwarnung finde ich allerdings bei der möglichen Brisanz der Lage angebracht, im Sinne von: "Montag im Auge behalten, könnte irgendwo heftig werden".
Fazit
Da ist es also wieder - dieses gute alte Gefühl von 2017 - wenn es vor einer Lage so in der Magengrube kribbelte. Näheres später - genug geschrieben.
Viele Grüße
Chris