05.05.2023 - Superzellen Chasing Deluxe in Bayern

  • Hallo zusammen,


    für den 05.05.2023 hat sich eine im Vorfeld sehr unsichere Gewitterlage in Süddeutschland angedeutet. Am Morgen des 05.05. wurde die Ausgangslage über Deutschland schließlich sehr gut vom ID2 erfasst, sodass auch davon auszugehen war, dass die berechnete Gewitterlage zum Nachmittag/Abend hin wahrscheinlich eintreten würde.


    Radarbild: https://kachelmannwetter.com/d…hland/20230505-0600z.html

    Simulierte Reflektivität: https://kachelmannwetter.com/d…basis/20230505-0600z.html


    Auch mittags passt das Bild immer noch sehr gut:


    Radarbild: https://kachelmannwetter.com/d…hland/20230505-1100z.html

    Simulierte Reflektivität: https://kachelmannwetter.com/d…basis/20230505-1100z.html


    Entscheidend bei dieser Lage war das abziehende Regengebiet über Nordbayern, welches durch seinen Outflow bodennah eine NO-Komponente im Wind erzeugte und die Taupunkte erhöhte. Auch sorgte es für einen schwachen Deckel über Südbayern, unter dem die Feuchte vor Durchmischung geschützt blieb. Die eigentliche Gewitterlage sollte zuerst durch eine vorlaufende Superzelle, welche in der Schwäbischen Alb entsteht, und eine nachfolgende Linie geprägt sein. Bodennaher NO-Wind drehte in der Höhe auf SW und nahm an Geschwindigkeit zu, was die für Superzellen nötige Scherung und SRH erzeugte.


    An diesem Tag bin ich um 13:30 Uhr von der Arbeit nach Hause gekommen und habe gleich mal die Modelle überprüft. Schnell wurde für mich klar, dass in Südbayern heute großes Potential vorhanden ist. Mein erster Gedanke war, dass Anton die Lage bestimmt auch mitbekommen hat, weshalb ich ihm kurzerhand geschrieben habe. Einige Minuten später war ich dann bereits im Auto und habe mich auf den Weg nach Ulm gemacht. Als hätte ich es geahnt hat sich schließlich Anton gemeldet, der genau die gleiche Idee hatte, sodass wir uns um 15:30 Uhr am Pendlerparkplatz in Trockau getroffen und das Chasing zusammen fortgesetzt haben.


    Ab 14 Uhr waren bereits erste Versuche der Gewitterbildung über der Schwäbischen Alb auf dem Radar zu erkennen, doch wirklich zünden wollte es noch nicht. Da wir aber nicht vor 18 Uhr in Ulm eintreffen würden, kam uns das zu gute. Um ziemlich genau 16:00 Uhr, als wir gerade Nürnberg passierten, entstand südlich von Reutlingen die Quellung, die später unsere Superzelle werden sollte. Die Zuggeschwindigkeit über der Schwäbischen Alb betrug gerade einmal 30km/h, sodass wir es genau pünktlich nach Ulm schaffen würden.


    https://kachelmannwetter.com/d…mberg/20230505-1415z.html


    Die große Frage für uns war schließlich, wird die gewittrige Linien, welche um 17 Uhr bereits den Westen Baden-Württembergs passierte, die Superzelle einholen, oder kann sie sich behaupten?


    https://kachelmannwetter.com/d…mberg/20230505-1500z.html


    Besonders auffällig war, dass keinerlei Quellungen in der labilen Luftmasse über Südbayern waren. Wir sind schließlich um kurz nach 18 Uhr an unserem ersten Standort nahe Burtenbach (nördlich von Thannhausen) angekommen, als die Superzelle von der Schwäbischen Alb heraus Ulm passierte – Perfektes Timing. Die Superzelle wirkte tendenziell noch eher unorganisiert und musste sich wohl über dem flachen Donautal erst neu organisieren. Es war zwar eine Basis zu erkennen, aber keine ansonsten typische Struktur für Superzellen. Die Donner und der kräftige Inflow sprachen aber eine deutliche Sprache, das Gewitter hat richtig Lust!


    https://kachelmannwetter.com/d…zburg/20230505-1605z.html


    18:10 Uhr


    Äußerst angenehm war die wirklich langsame Zuggeschwindigkeit. Nach 15 Minuten ist uns die Superzelle nur etwas nähergekommen und hat sich mittlerweile zu einem optisch sehr ansprechenden Gewitter formiert. Besonders schön war die Scherung, von der Basis bis hin zum Aufwind erkennbar – Streamvise Vorticity on it´s best. Die Tatsache, dass die Superzelle so schön freistehend war, ohne störende vorlaufende Konvektion, war wirklich besonders.


    Das Hookecho auf dem Radar war immer wieder sehr schön ausgeprägt:

    https://kachelmannwetter.com/d…zburg/20230505-1625z.html


    Panorama um 18:26 Uhr


    Nördlich von unserem Standort waren währenddessen Mammatuswolken zu sehen. Ab und zu hat es etwas angefangen zu tröpfeln, wir standen genau an der Kante zum Niederschlagsbereich.


    18:30 Uhr


    Innerhalb weniger Minuten bildete sich über unserem Kopf ein breites Inflowband aus, welches förmlich in das Gewitter gesaugt wurde und dabei wunderschön die Rotation des ganzen Aufwindes widerspiegelte.


    18:34 Uhr


    Nach einer halben Stunde am ersten Standort haben wir schließlich die Kamera für Chasing-Verhältnisse ruhig zusammengebaut.


    18:39 Uhr


    Schließlich sind wir zur B300 gefahren, welche dankenswerte Weise genau in Zugbahn der Superzelle lag. Nach 20 Minuten Fahrzeit und 25km Strecke konnten wir uns ein zweites Mal vor das Gewitter setzen. Wir standen nun westlich von Gessertshausen. Vereinzelt waren erste schöne Blitze zu sehen und ein andauerndes Donnergrummeln zu hören.


    19:05 Uhr


    Sehr schön war der sich bildende RFD-Clear-Slot zu sehen.


    19:09 Uhr


    Nördlich unseres Standortes waren wieder dieselben Mammtuswolken wie am ersten Standort zu sehen.


    19:11 Uhr


    Die Unterseite der Basis war sehr ansehnlich und wirkte turbulent. Vereinzelt gab es immer wieder Blitze zu sehen.


    19:13 Uhr


    Antons wachsames Auge bemerkte schließlich, dass sich genau über unserem Kopf vor der Superzelle ein Layer bildet, welche wir unbedingt aus der Ferne beobachten wollten. Zu Beachten ist auch die Sicht Richtung Westen. Es ist keine einzige Quellung zu sehen, sodass auch aus der Ferne eine perfekte Sicht auf die freistehende Superzelle möglich war.


    19:14 Uhr


    Ein letztes Bild vor der Weiterfahrt war das erste kleine Highlight. Die Struktur, als es Fraktus vom Niederschlagsbereich in den Aufwind hob, war wirklich genial. Der Niederschlag war bereits ziemlich nah und es setzte zwischenzeitlich leichter Regen aus dem Eisschirm ein, welcher sich aber noch einmal abschwächte. Dank des immer noch starken Inflows gelangte kein einziger Tropfen auf die Linse der Kamera.


    https://kachelmannwetter.com/d…sburg/20230505-1715z.html


    19:15 Uhr


    Wir mussten nun durch das Stadtgebiet von Augsburg, was etwas Zeit in Anspruch nahm. Die Frage dabei war nun, ob man sich als nächstes an der B2 südöstlich von Augsburg positioniert oder den weiteren Weg über die A8 bis nach Odelzhausen nimmt. Der Drang noch einmal stehenzubleiben war groß, vor allem nach dem was wir aus dem Autofenster während der Verlagerung zu sehen bekamen. Die Superzelle konnte nach wie vor die komplette unverbrauchte und weiterhin gedeckelte Luftmasse allein für sich beanspruchen, weshalb es unwahrscheinlich war, dass das Gewitter kaputt gehen würde. Deshalb waren wir uns sicher, dass wir auch in Odelzhausen weiterhin gute Struktur und eine starke Superzelle zu Gesicht bekommen würden. Justin konnte die Superzelle in diesem Stadion abbilden. Die Wallcloud samt Tailcloud war auch aus dem Auto im Stadtgebiet Augsburg zu sehen:


    19:30 Uhr


    Endlich auf der Autobahn angelangt, konnten wir wieder einen freien Blick auf die Superzelle werfen. Wir waren zu dem Zeitpunkt ein gutes Stück nördlich nahe des Niederschlagbereiches. Wir mussten noch einige Kilometer der Autobahn Richtung Südosten folgen, um wieder aus der Zugrichtung des Niederschlages zu kommen.


    19:39 Uhr


    Weitere 5 Minuten später war sehr schön die Rotation der gesamten Basis bis hoch in den Aufwind zu erkennen. Ein wirklich unfassbar spektakulärer Anblick, der wohl selbst in den USA nicht so leicht zu toppen ist.


    19:44 Uhr


    Nach weiteren 9 Minuten Fahrt kamen wir schließlich am nächsten Beobachtungspunkt an. Bei all dem Glück, das wir sowieso schon hatten, haben wir auch noch ein Rapsfeld für den Vordergrund gefunden.


    Die Radarsignatur war sehr ernüchternd, der Tatsächliche Anblick das genaue Gegenteil:

    https://kachelmannwetter.com/d…sburg/20230505-1755z.html


    19:53 Uhr


    Was war an diesem Standort erlebten, dürften wohl Eindrücke fürs Leben sein. Einerseits eine beeindruckende Superzelle mit immer noch starken Inflow und dem Rapsfeld im Vordergrund. Anderseits ein geniales Blitzfeuerwerk. Die Auswahl der Bilder ist wirklich nicht leicht.


    Zunächst waren die Blitze aber noch etwas zurückhaltender.


    19:59 Uhr


    20:06 Uhr


    Das Licht wurde immer fahler, der Sonnenuntergang fand an diesem Tag um 20:33 Uhr statt. Die Blitze haben deshalb zunehmend die Wolken aufleuchten lassen.


    20:12 Uhr


    Aus den überwiegend Wolke-Wolke-Blitzen wurden schließlich immer mehr Wolke-Erde-Blitze. Außerdem setzte nun wieder leichter Regen ein, da wir wieder genau an der Grenze zum FFD standen. Dank des Inflows blieben die Linsen aber wieder frei von Regentropfen.


    20:13 Uhr


    20:15 Uhr


    20:17 Uhr


    Schließlich mussten wir uns ins Auto zurückziehen, da die Blitze zum Teil auch fernab des Aufwindes einschlugen und die Blitzschlaggefahr deutlich erhöht war. Die Kameras liefen aber natürlich weiter.


    20:23 Uhr (Bild: Anton Kötsche)


    Kurz vor dem örtlichen Sonnenuntergang kam der Regen dann auch wieder näher und wir mussten uns entscheiden, wie wir weiter vorgehen. Einerseits hätten wir die Linie, welche mittlerweile unmittelbar hinter unserer Superzelle war, etwas südlich abfangen können. Andererseits wollten wir auch an unserer Superzelle dranbleiben, weil sie einfach viel zu beeindruckend war. Wir haben uns deshalb entschlossen, ins Stadtgebiet von München zu fahren. Das Problem dabei war, dass wir noch durch eine Baustelle mussten, welche uns wertvolle Zeit gekostet hat.


    https://kachelmannwetter.com/d…sburg/20230505-1825z.html


    Wir sind schließlich einige Minuten vor Eintreffen des Bow Echos in München angekommen. Es war mittlerweile komplett finster und die Blitzfrequenz war zum Teil irre. Vielmals waren mehrere Blitze pro Sekunde zu sehen, in der Hauptphase sicherlich kontinuierlich 2-3 Blitze/Sekunde. An Fotos war an dieser Stelle aber nicht mehr zu denken, dafür konnten wir noch ein paar Videos machen. Obwohl wir direkt vom Bow Echo überrollt wurden, war an unserem Standort kaum nennenswerte Wind. Kurzzeitig gab es noch kleinkörnigen Hagel, welcher allerdings auffällig weich war. Auch der Niederschlag war eher mäßig. Alles in allem haben wir wahrscheinlich genau den schwächsten Teil der Linie erwischt.


    Wer nun gerne ein Video der Blitzfrequenz sehen würde, dem möchte ich Antons komplettes Chasing Video ans Herz legen. Dort könnt ihr die Bilder von oben noch einmal in bewegten Aufnahmen mit allen Emotionen miterleben. Zum Schluss ist dann auch noch das Bow Echo samt Blitzen zu sehen:


    Langlebige SUPERZELLE und SCHWERE UNWETTER in Süddeutschland 05.05.2023 - YouTube


    Zusammengefasst war es eines meiner erfolgreichsten und beeindruckendsten Chasings meines Lebens. Besonders beeindruckend war für mich die Struktur am dritten Standort zusammen mit den Blitzen.


    An dieser Stelle möchte ich mich noch bei Anton bedanken, der durch seine gute Fahrweise, der richtigen Standortwahl und der Erfahrung zur weiteren Entwicklung des Gewitters maßgeblich zum Erfolg beigetragen hat.


    Viele Grüße

    Anton und Thomas

  • Ich habe jetzt auch noch ein Video aus meinen Aufnahmen zusammengeschnitten. Neben den Zeitrafferaufnahmen, welche auch Anton schon gezeigt hat, habe ich auch noch viele Slow Motion Aufnahmen ins Video geschnitten. Viel Spaß beim Anschauen.


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  • Hallo Thomas,


    dieser Bericht ist ein mehrfacher Augenschmauß und Lesegenuss. Ich habe beim lesen noch einmal richtig mitgefiebert und mich über die tollen Bilder und Videos gefreut.


    Glückwunsch zu dieser tollen Jagd zusammen mit Anton!

    LG
    Markus

    1. Vorsitzender Thüringer Storm Chaser e.V.
    ESSL Voluntary Observer Person (Qualitätslevel QC1) (European Severe Storms Laboratory)
    Weitere Mitgliedschaften: Member of AMS Weatherband · Arbeitskreis Meteore e.V.